Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
»Nimm jetzt die Dose«, befahl sie mir und drückte sie mir in die Hand.
Ich wich so heftig zurück, dass fast mein Stuhl hinter mir umkippte. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich keine Zeit habe!«
»Nimm sie jetzt!« Sie presste mir die Dose gegen den Bauch.
Um sie nicht berühren zu müssen, hob ich die Hände.
Moms wütender Blick durchbohrte mich. Sie knallte die Dose so heftig auf den Tisch, dass das Frühstücksgeschirr klirrte.
Ich floh aus der Küche. Und Dad blieb wahrscheinlich seelenruhig hinter seiner schützenden Zeitung sitzen.
An diesem Tag schleppte ich mich nur mühsam durch den Unterricht, bekam kaum etwas mit, döste vor mich hin und machte bei meinem Job in der Schulkantine ständig Fehler. In Bio schrieben wir einen Test, aber was kümmerte mich das schon.
»Ich weià ja, dass du ein Sportstipendium anstrebst, Jessica«, sprach mich die alte Miss Burke nach der Stunde an. Sie war die älteste Lehrerin an der Schule und mochte Casey sehr. »Aber du brauchst auch in den anderen Fächern gute Noten. Das Schuljahr hat zwar erst angefangen, aber du solltest dich auf keinen Fall hängen lassen â¦Â«
Sie hörte gar nicht wieder auf, mir gute Ratschläge zu geben, was ich schrecklich ermüdend fand.
»Na, wieder mal Post von Casey gekriegt?« Amber und ihre Getreuen passten mich nach der letzten Stunde an meinem Spind ab.
»Geht euch nichts an«, antwortete ich.
»Hey, krieg dich mal ein. Wir sind schlieÃlich auch mit Casey befreundet. Du hast ja wohl kein Monopol auf sie.«
»Casey â eure Freundin?«, gab ich zurück, »soll das ân Witz sein?«
»Was hat dich denn gebissen?«, fragte jemand. »Eifersüchtig?«
Ich bahnte mir einen Weg durch die Gruppe und lieà sie einfach stehen. Nathan kam mir hinterher.
»Hey, Jess, jetzt sei mal nicht sauer«, sagte er und hakte sich bei mir unter. »Ist doch nur SpaÃ.«
»Auf meine Kosten oder was?«
»Tut mir leid. Aber das ist nun mal das gröÃte Ding, das in dieser Stadt je passiert ist. Da sind wir halt alle ein bisschen durch den Wind.«
Wie oft Nathan seit dem Kindergarten mit mir geredet hatte, konnte ich an einer Hand abzählen. Er gehörte schon seit frühester Kindheit zu den besonders Coolen und wurde von anderen lässigen Kids mit den gleichen tollen Klamotten und Haarschnitten umschwirrt. Natürlich vom schicken Profifriseur und nicht von einer Mutter, die mitten in der Nacht mit der Zickzackschere bewaffnet denkt, sie wäre Edward mit den Scherenhänden.
Nathan behandelte mich, als ob ich eine von ihnen wäre und keine schräge AuÃenseiterin. Ich entschloss mich, seine Entschuldigung anzunehmen. Zumindest vorerst.
»Trink doch noch âne Cola mit uns oder so«, lud er mich ein, während er auf die anderen deutete, die uns aus einiger Entfernung beobachteten. »Wir gehen nach der Schule meistens ins Cactus und chillen vor dem Heimweg noch ein bisschen. Willst du nicht mal mitkommen?«
Natürlich musste mir Nathan nicht erzählen, dass sie immer im Cactus saÃen, denn ich hatte sie oft genug dort gesehen â immer am selben Fenstertisch, wo sie Pommes aÃen und eine Menge Spaà zusammen hatten. Sie waren eine ziemlich exklusive Truppe â zumindest für die provinziellen Verhältnisse in Galloway. Noch nie hatte mich jemand von ihnen dabeihaben wollen.
Nachdem Nathan mich eingeladen hatte, kam mir ein Gespräch mit Casey aus dem vorigen Jahr in den Sinn.
»Die braucht doch kein Mensch«, hatte sie gesagt, als ich ihr gestanden hatte, wie gerne ich Teil dieser Cactus-Clique wäre. »Wenn wir dazugehören würden, müssten wir jeden Tag nach der Schule einen Haufen Geld ausgeben, das wir uns hart verdient haben. Und auÃerdem labern die doch eh nur Gülle.«
»Woher weiÃt du das denn?«
»Na, aus dem Unterricht. Sie haben nie eigene Gedanken und können sich für nichts begeistern, sondern dreschen sich nur gerade so viel Stoff ins Hirn, dass sie einigermaÃen durchkommen. Sich über andere lustig zu machen, ist ihr einziges Hobby, und dabei sind sie nicht mal besonders witzig. Was könnten die also schon Spannendes zu reden haben?«
»Du bist ja wohl nicht allwissend«, widersprach ich. »Vielleicht wollen sie sich vor den Lehrern bloà nicht wichtigmachen.« Als ob Casey eine
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