Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
ausgestreckt, während er mit der rechten Hand zum Gürtel griff, allerdings nur die Garrotte zu fassen bekam und nicht seinen Dolch.
Unwichtig; besser als nichts. Die Holzgriffe in der geballten Faust, schlug er zu ...
... und ließ den Arm sinken.
Walter Slowotski stand ein paar Schritte hinter ihm und ließ eben einen krummen Zweig zu Boden fallen.
»Langsam, Junge, langsam«, flüsterte Slowotski und winkte ihn zu sich in den Schatten. »Nur dein Onkel Walter, der noch nicht ins Gras beißen will. Weder jetzt noch später.«
Jason vermochte ihn im Licht der Glühstahllampen deutlich genug zu sehen, um zu erkennen, daß er sich verändert hatte. Er sah dünner aus, älter, verbraucht. Sein Bart war dichter und länger als sonst; eine wilde, von grauen Strähnen durchzogene Haarmähne, die dringend geschnitten werden mußte, umrahmte sein zerfurchtes Gesicht.
Doch es war immer noch Walter Slowotski: Sein mit-Slowotski-ist-die-Welt-in-Ordnung-Lächeln war unverändert oder wenigstens fast.
»Was, zum Teufel, tust du hier?« raunte Slowotski.
»Wo sind die anderen?« Jason schaute sich um. »Ahira, Vater ...«
Walter Slowotski runzelte die Stirn. »Dein Vater? Wir müssen uns ausführlich unterhalten«, sagte er leise, »und hier ist nicht der geeignete Ort. Hast du hier irgendwo ein trockenes Plätzchen, wohin wir uns zurückziehen könnten?«
Der Regen hatte fast ganz aufgehört; wie als Abschiedsgruß zuckten in der Ferne mehrere dicht aufeinanderfolgende Blitze über den Himmel. Jason nickte. »Im Goldenen Ochsen. Zwei ...« »Zwei Kreuzungen weiter und die dritte Straße von hier aus.« Slowotski nickte. »Gehst du voran oder soll ich?«
»Ich gehe voran.« Nicht nur, daß der Regen aufhörte, es mußte auch wärmer geworden sein. Jedenfalls spürte Jason die Kälte kaum noch.
Vater war also tot. Er hatte das Gefühl, als müßte er jetzt eigentlich weinen, als erwartete man von ihm, daß er weinte, aber ihm war nicht danach zumute. Er hatte schon einmal um seinen Vater getrauert, und vielleicht war einmal genug.
Vielleicht auch nicht. Vielleicht kamen die Tränen noch, später. Es war schwer zu sagen. Gefühle ließen sich nicht berechnen, erzwingen, sie überfielen den Menschen ungefragt und unerwartet.
Verdammt, verdammt, verdammt.
»Dumme Sache, Leute«, meinte Walter Slowotski, die Hände um einen dampfenden Becher Kräutertee gelegt. »Ich hätte nie gedacht, daß ihr auf den Blödsinn hereinfallt.« Er betrachtete Jason mit zusammengezogenen Brauen. »Du warst dabei, Jason. Niemand hätte die Explosion überleben können, und Karl war nicht in der Lage, weit zu laufen.« Er schüttelte sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Sie hatten das Los geworfen, und Walter Slowotski war das Recht zugefallen, als erster zu baden.
Um Slowotskis Augen hatten sich Falten eingeprägt, an die Jason sich nicht erinnern konnte, seine Augenlider waren vor Übermüdung rot und geschwollen. »Jau«, sagte er, »ich sehe aus wie eine aufgewärmte Leiche und nicht einmal gut aufgewärmt.«
Er schlürfte seinen Tee. »Der einzige Grund, weshalb ich den Zwerg nach Holtun-Bieme vorausgeschickt habe, war der, daß ich ihn aus dem Weg haben wollte. An Bord eines Schiffes wäre er unmöglich gewesen, außerdem ist er auch so ein potentieller Märtyrer, wie es dein Vater war. Immer gewesen ist, schon zu der Zeit, bevor wir es mit dem Drachen zu tun hatten.«
Es hatte den Anschein, als wollte er noch etwas sagen, doch er entschied sich dagegen. Ahira war weit weg und vermutlich in Sicherheit; sie dagegen sahen sich den Problemen des Hier und Jetzt gegenüber.
»Wie sicher ist eure Verabredung mit der Gazelle für den Zehnten?« wollte Slowotski wissen.
Durine zuckte die Achseln. »Sie werden da sein.«
»Gut. Dann trefft ihr euch dort mit ihnen, und ich werde versuchen, am nächsten Treffpunkt zu euch zu stoßen. Ich will dies hier nicht unerledigt lassen.« Er lachte in sich hinein. »Meine Tochter ist nicht ohne, was? Sie hat recht damit, daß ich die Finger von Salket lassen würde - eine harte Nuß -, aber Karl hätte sich nicht davon abbringen lassen. Schon gar nicht mit ein paar Dutzend Mitstreitern hinter sich.« Slowotski lächelte. »Sie sind auf einen Sturmangriff vorbereitet, nicht auf einen einzelnen Mann. Es sind zu viele und doch nicht genug.«
Bren Adahan schüttelte den Kopf. »Nach deiner und Jasons Beschreibung kommt es mir ziemlich schwierig vor. Selbst wenn du von dem Baum auf die Mauer steigen
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