Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
und rechts davon.
Westlich des Haupthauses befand sich ein aus Holz errichteter Stall, mehr eine Scheune eigentlich, vermutlich das Eigentum der Sklavenhändler: Beide Gebäude waren durch einen überdachten Gang verbunden. Im Osten erhoben sich die Ruinen eines einst stattlichen, dreistöckigen Wohnhauses, in dem ein Brand gewütet hatte. Zwar hatte die Feuerwehr des hier regierenden Fürsten das Feuer gelöscht, bevor es auf die anderen Häuser übergreifen konnte, aber das Gebäude war zerstört; hinter der beinahe vollständig eingestürzten Fassade konnte man die rauchgeschwärzten Zimmer sehen.
Das Anwesen der Sklavenhändler hatte bei dem Brand keinen Schaden genommen. Das Haupthaus war aus Steinen errichtet, nicht aus Ziegeln, und wurde von einer drei Meter hohen Mauer umgeben. Weder auf dem mit einem Schutzgitter versehenen Postengang auf der Mauerkrone noch in den beiden Wächterhäuschen regte sich eine Menschenseele.
Die Anlage war keine Festung; einer Belagerung oder einem Sturmangriff mit schwerem Gerät konnte sie nicht standhalten, doch gegen Räuberbanden oder bei kleinen Fehden, wie sie auf der Insel vorkommen mochten, bot sie sicheren Schutz.
Auf den zweiten Blick erwies sich das Gebäude als ziemlich neu; die Kanten der Steine waren noch scharf und nicht von Wind und Wetter abgeschliffen wie die Mauern der Burg Biemestren, die seit Hunderten von Jahren den Elementen trotzten. Jason hätte wetten mögen, daß man sich aus Furcht vor einem Angriff der Freischärler von Heim zum Bau eines befestigten Gildehauses entschlossen hatte und daß es vielleicht erst vor zehn Jahren fertiggestellt worden war.
Doch das Anwesen war nicht uneinnehmbar. Man
konnte jede Festung einnehmen, wenn man über die Mittel verfügte. Entsprechend nachdrückliches Abklopfen brachte jede Mauer zum Einsturz. Auch jede feindliche Armee war zu vernichten oder in die Flucht zu schlagen, wenn man sie nur gründlich genug mit Pfeilen, Wurfgeschossen oder Kugeln überschüttete.
Die Sklavenhändler hatten sich zusätzlich in Unkosten gestürzt, indem sie in den vier Ecken des Mauergevierts sowie jeweils auf halbem Wege dazwischen hohe Pfähle mit Glühstahllampen aufgestellt hatten. Zwar reichte der bläuliche Schimmer nicht besonders weit - entweder waren die Zaubersprüche von Anfang an zu schwach gewesen, oder sie bedurften dringend einer Auffrischung -, doch die Beleuchtung genügte, um die Annäherung ungebetener Gäste zu bemerken.
Eins hatten die Sklavenhändler allerdings außer acht gelassen: Die Äste und Zweige einer riesigen Eiche neigten sich über die Westseite der Mauer. Jason suchte an dem mächtigen Stamm nach Stolperdrähten, verborgenen Hebeln oder sonstigen trickreichen Vorrichtungen, jedoch ohne Erfolg.
Er zuckte die Schultern. War es möglich, daß sie in ihrer Verteidigung ein solches Loch gelassen hatten? Während sie gleichzeitig die Soldaten von den übrigen Gildehäusern auf der Insel zur Verstärkung heranholten und im Silbernen Pilz einquartierten? Das ergab keinen Sinn. Dennoch, von seinem Platz aus konnte er sehen, daß kein anderer Baum so nahe an der Mauer stand oder sie überragte.
Er beschloß, das ganze Anwesen einmal zu umrunden, bevor er irgend etwas unternahm. An das Tor zur Straße durfte er sich nicht heranwagen, aber damit blieben immer noch drei Seiten des Gevierts übrig, die es auszukundschaften galt.
Sich dicht im Schatten der Mauer zu halten, war aber kaum die beste Idee. Er überquerte die Straße und arbeitete sich entlang dem Holzzaun, der das benachbarte Grundstück umschloß, zur nächsten Ecke vor. Der Regen übertönte seine Schritte.
Der Unterstand am Ende dieses Wehrgangs war besetzt. Eine dunkle Gestalt lehnte sich mit einem gedämpften Fluch in die Nacht hinaus.
Jason erstarrte.
Nach wenigen Sekunden, die Jason wie Minuten erschienen, wie Stunden, zog der Posten den Kopf wieder zurück. Offenbar hatte er keinen Verdacht geschöpft. Jason wartete noch ein paar Herzschläge, dann setzte er sich wieder in Bewegung.
Als er um die Nordwestecke bog, berührte etwas seine Schulter.
Kapitel vierundzwanzig
Walter Slowotski
Wer Geduld besitzt, kann alles erreichen. Francois Rabelais
Valeran sagte immer, in einem Kampf Mann gegen Mann sei es zehnmal besser, sich gleich nachdrücklich zur Wehr zu setzen, als abzuwarten und sich im nachhinein künstlerisch wertvolle Verteidigungsmaßnahmen auszudenken.
Jason wirbelte auf den Zehenspitzen herum, den linken Arm abwehrend
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