Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Pistole.«
»Keine Sorge, ich kümmere mich um ihn«, antwortet Dr. Kleiber, also Hobbe, am Telefon, und das ist nicht mal gelogen. »Ich melde mich sofort, wenn wir ihn gefunden haben.«
»Und was soll ich solange machen?«, schluchzt Anne, während sie mit einer freien Hand nach einem Taschentuch kramt.
»Sie haben getan, was Sie konnten. Das Beste ist, Sie gehen wieder an Ihre Arbeit. Das lenkt Sie ab. Und danke noch mal für den Anruf.«
Hobbe legt auf, und wenn er bis jetzt noch nicht gewusst haben sollte, wo er Moritz finden kann – nun weiß er es.
31 / 10 / 2015 – 17 : 35 Uhr
Mit Annes Wagen rast Moritz durch die Stadt. Weil er das Lenkrad nur mit dem linken Arm festhalten kann, fährt er ein bisschen schlingerig. Da ist es gut, dass ich direkt hinter ihm bin, so kann ich ihm Deckung geben, damit sein Fahrstil nicht so auffällt. Moritz fährt quer durch die City, bis er in die Außenbezirke kommt. Die Straße führt jetzt schon eine ganze Weile am Rhein entlang.
Dann stellt er den Wagen auf dem Parkplatz eines Fähranlegers ab. Moritz steigt aus, steckt sich die Waffe in den Hosenbund, zieht seinen Pullover darüber und geht hinunter an den Fluss. Dort setzt er sich ans Ufer und schaut immer wieder auf seine Uhr. Er wartet auf Pascal, das weiß ich. Ich weiß auch, warum er so ungeduldig ist. Ihm läuft die Zeit davon. Obwohl ich mir das mit Hobbe, der Höhle und den Pärchen nicht vorstellen kann. Nicht, dass ich Moritz nicht glaube. Im Gegenteil, ich bin wahrscheinlich der Einzige außer Hobbe, der weiß, dass Moritz sich das alles nicht nur einbildet. Aber ich glaube einfach nicht, dass Hobbe so weit gehen würde. Andererseits – was ist, wenn doch?
Und es stimmt ja auch, ich habe Hobbe schon einmal unterschätzt.
Moritz zuckt zusammen, als sich ihm von hinten plötzlich eine Hand auf die Schulter legt. Es ist Pascal. Er hat seinen neuen, roten Sportwagen neben Annes Auto geparkt. Vermutlich hat Moritz ihn nicht kommen hören, weil er mit seinen Gedanken woanders war. Für die beiden Schwulen, die keine sind, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn hier und jetzt aus dem Weg zu räumen. Na, so leicht nun auch wieder nicht. Für den Notfall bin ich ja noch da.
Pascal lässt sich neben Moritz am Ufer nieder.
»Nicht so schreckhaft. Hast du’s gelesen? NGP – New German Pride. Ist gut, oder?«
»Ja, hab ich«, antwortet Moritz. »Deine Schlagzeilen waren nicht zu übersehen. Und nein, es ist nicht gut.«
»Klar, dir wäre bestimmt was Besseres eingefallen. Ich bin nur der Mann fürs Grobe, für den Nahkampf«, höhnt Pascal. »Aber du wolltest ja nicht. Ich find die Story mit den Nazi-Sneakers trotzdem gut. Vor allem, weil die erste Rate schon da ist.« Pascal zeigt über seine Schulter zum Parkplatz, wo sein Wagen parkt. »Die Jungs von der Turnschuhfactory sind sehr zufrieden.«
»Davon wirst du nicht mehr viel haben. Hobbe will dich umbringen.«
Wenn das Pascal beeindrucken sollte, lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken.
»Gute Geschichte, erzähl mir die nächste«, antwortet er und grinst.
»Ich war im Büro. Da ist alles komplett leer geräumt. Den Hypothesen-Verlag gibt es nicht mehr.«
»Der Laden hat sich doch eh nie rentiert. Reines Zuschussgeschäft. Vernünftig von Hobbe, den Verlag dichtzumachen.«
Die beiden sehen der Fähre zu, die sich langsam über den breiten Fluss schiebt.
»Das war kein Verlag. Das Ganze hatte nur ein Ziel: Furcht einflößende Storys zu verbreiten, die die Menschen einschüchtern sollten, damit sie keine Dummheiten machen. Das war so eine Art Mission von Hobbe, weil er vor ein paar Jahren seinen Sohn verloren hat. Er glaubt, dass er diesen Schmerz anderen ersparen könnte. Dafür geht er über Leichen!«
»Deine Geschichten waren schon immer schräg, aber die hier toppt alles.« Pascal lacht und schleudert einen Stein ins Wasser.
»Die Beweise dafür habe ich in seinem Schrank gefunden.«
»Ich dachte, das Büro war leer«, hakt Pascal nach.
»Vorher. Ich hab vorher nachgesehen. Er hat Akten über uns. Hobbe weiß alles über deine Geschäfte. Er wird dich umbringen.«
»Warum sollte er das? Ich tu doch keinem was.«
»Weil du gefährlich für ihn bist. Mit deinen Geschäften fällst du auf, und eine Spur könnte zu ihm führen. Du musst verschwinden!«
Die Fähre legt an, und zwei Wagen rollen von der Rampe ans Ufer. Weder der Fährmann noch die Autofahrer kümmern sich um die beiden Männer, die nebeneinander am Ufer
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