Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Poster, Kisten – alles weg.
»Heute Morgen war das noch unser Büro. Ich schwöre es.«
Moritz sieht sich in dem Zimmer um, bei dem man sich sogar die Mühe gemacht hat, Pascals Pfandflaschensammlung zu entsorgen. Seine Jacke, die er immer noch um den Arm gewickelt hat, ist mittlerweile blutdurchtränkt. Rote Tropfen fallen von seinem Ellenbogen auf den Teppichboden.
»Hier ist nichts, Moritz. Das hast du dir alles nur eingebildet«, redet Anne beruhigend auf ihn ein.
»Komm mit!« Moritz stürmt voraus in das Zimmer von Hobbe. Aber das ist, abgesehen von den Gardinen, dem Teppichboden und einem alten Bürostuhl, genauso leer. Und jetzt verstehe ich auch, warum die beiden Schwulen, die keine sind, in aller Ruhe ihr Rühreibrötchen zu Ende gefrühstückt haben. Die waren gar nicht hinter Moritz her. Die hatten einen ganz anderen Auftrag. Die sollten hier alle Spuren verschwinden lassen, sobald er das Büro verlassen hatte.
»Hier stand der Schrank voll mit Dokumenten und Fotos. Die hätten alles bewiesen.« Moritz deutet auf die Zimmerecke, in der der Schrank gestanden hatte.
»Aber wieso hast du dann nichts davon mitgenommen?«, fragt Anne.
»Wegen der Überwachungskamera. Ich hab plötzlich die totale Panik gekriegt.«
»Was denn für eine Kamera? Hier ist keine Kamera.«
Das stimmt nicht ganz. Natürlich sind hier Kameras. Meine.
Moritz schnappt sich den Stuhl, zerrt ihn an die Wand, an der Hobbes Kamera befestigt war, und steigt auf die Sitzfläche.
Man muss schon sehr genau hinschauen, um die Bohrlöcher für die Schrauben zu entdecken, mit denen die Überwachungskamera an der Wand montiert war. Irgendwer hat die Löcher mit Spachtelmasse fein ordentlich wieder verschlossen. Die Masse ist noch feucht, und Moritz wischt mit der Hand über das Loch. Triumphierend hält er den weißen Finger hoch.
»Und was ist das?«
»Das ist frische Farbe, ja und? Da hat jemand gearbeitet, um die Büroräume für den nächsten Mieter herzurichten. Bitte, Moritz, lass uns endlich hier verschwinden, bevor noch jemand kommt.«
Moritz springt vom Stuhl. Beim Aufprall auf dem Boden zuckt er vor Schmerz zusammen. Der Arm scheint doch mehr abbekommen zu haben als nur einen Kratzer. Der ganze Ärmel ist mittlerweile voller Blut. Als er zu den Vorhängen geht, um dahinterzuschauen, sind es mehr als nur ein paar Tropfen, die seinen Weg auf dem Boden nachzeichnen.
Aber es lohnt sich. Hinter den Vorhängen entdeckt er tatsächlich etwas. Er beugt sich hinunter und hebt mit seinem gesunden Arm einen Briefbeschwerer in Form einer Handgranate auf. Es ist derselbe, der bei Hobbe auf dem Schreibtisch lag und mit dem Moritz damals seine Kamerageschichte gegen den Wind gesichert hat.
Wahrscheinlich ist das Teil den beiden »Möbelpackern« beim Abbauen von der Tischplatte hinuntergerollt, und dann haben sie es hinter den Vorhängen vergessen.
Anfänger, sag ich ja.
»Der gehört Hobbe!« Triumphierend hält Moritz die Handgranatenattrappe in die Luft, so als hätte er selbst schon angefangen zu zweifeln und nun endlich einen Beweis gefunden, dass er die Wahrheit sagt. Dabei trägt er den Beweis bei sich, hinten in seinem Hosenbund, wo nur das aus der Hose gezogene Hemd die Pistole verdeckt.
»Das könnte doch jedem gehören, Moritz.« Anne zeigt auf seinen blutenden Arm. »Ich bring dich zurück ins Krankenhaus. Ich muss deine Wunde verbinden, wahrscheinlich sogar nähen.«
Moritz sieht Anne an, dann seinen Arm, der immer stärker blutet. Selbst ihm scheint allmählich klar zu werden, dass er damit nicht weit kommen wird. Er nickt und lässt den Briefbeschwerer auf den Boden fallen.
»Aber nur verbinden! Sonst nichts!«
Anne reicht ihm die Hand. Gemeinsam klettern sie durch die zersplitterte Scheibe der Eingangstür und verlassen den Verlag. Der Blutverlust hat Moritz geschwächt. Anne muss ihn stützen, als sie ihn die Treppe hinunter auf die Straße führt.
31 / 10 / 2015 – 15 : 25 Uhr
Moritz hockt auf einer Liege in einem Behandlungszimmer des Krankenhauses. Anne hat seinen Kreislauf mit einer Infusion wieder stabilisiert und verbindet seinen Arm.
Es fällt ihr sichtlich schwer, ruhig zu bleiben, während sie ihm den Verband anlegt, und auch Moritz ist ganz schön durch den Wind. Selbst ich, draußen in meinem Wagen, den Laptop mit den Kamerabildern auf dem Schoß, muss gestehen, dass das alles nicht so professionell an mir abperlt, wie es sollte. Wie auch, wenn man einem Menschen vierundzwanzig Stunden dabei
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