Rosendorn
hörte deutlich die Verärgerung in seiner Stimme. »Du kannst nach Faerie schauen.«
Ich zuckte mit den Schultern. Vermutlich zierte ich mich tatsächlich. Es kam mir vor, als wäre das alles nicht wahr, solange ich es nicht laut aussprach.
»Und Ethan und sein
Untergrund
haben dir erklärt, was das bedeutet?«, hakte er nach.
Noch ein Schulterzucken. »Um die Wahrheit zu sagen, scheint mir das alles keine große Sache zu sein. Jedenfalls nicht wichtig genug, um ein solches Riesendrama zu veranstalten.«
»Dann hast du noch nicht genug darüber nachgedacht.« Er war noch immer sauer auf mich, obwohl ich nicht genau wusste, warum eigentlich. »Wie gut kennst du dich in Geschichte aus?«
Die Frage erstaunte mich. Ich hatte keine Ahnung, was das jetzt mit der Unterhaltung zu tun hatte. »Sagen wir einfach, dass es in der Schule nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern zählt«, erwiderte ich – denn seien wir mal ehrlich: Geschichtsstunden sind langweilig, langweilig, langweilig.
»Typisch amerikanisch«, murmelte Dad leise. »Hast du schon mal was von Richard III . gehört?«
Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Ich habe gesagt, dass es nicht mein Lieblingsfach ist, aber ganz doof bin ich auch nicht.«
»Richard III . kam auf den Thron, als sein Bruder Edward IV . starb. Doch wofür er eigentlich bekannt ist, ist die mutmaßliche Ermordung der ›Prinzen im Tower‹, der Söhne seines Bruders.«
»Wie gesagt, ganz doof und unwissend bin ich nicht.« Ich konnte nicht behaupten, dass ich viel mehr wusste, als Dad gerade erzählt hatte, aber ich fand seinen Ton irgendwie herablassend.
Seine Augen waren wie blaue Speere, die mich aufspießten, und mir wurde klar, dass er es nicht gewohnt war, Widerworte zu bekommen. Tja, er würde sich daran gewöhnen müssen, falls ich bleiben sollte. Trotzdem war der Blick so einschüchternd, dass ich spürte, wie ich auf meinem Stuhl zusammensank.
»Ob Richard die Kinder nun hat ermorden lassen oder nicht, ist unter Historikern noch immer umstritten.«
Er hielt inne, wartete darauf, dass ich eine vorlaute Bemerkung machte, bereit, mich anzufahren, falls ich es tun sollte. Also hielt ich meinen Mund und fragte mich noch immer, was das alles mit Faeriewalkern zu tun hatte.
»Zu jener Zeit stand Avalon unter der Kontrolle der Menschen und wurde von den Königen Englands regiert. Es war eine Zeit großer Zwietracht für die britische Krone, denn die Häuser York und Lancaster kämpften um den Thron. Man kennt diese Fehde als Rosenkriege, und sie dauerten mehr als dreißig Jahre. Die Feen ergriffen in dem Streit Partei: Die Lichtfeen favorisierten York, und die Dunkelfeen unterstützten Lancaster.« Er warf mir ein bitteres Lächeln zu. »Erinnerst du dich, dass ich dir erzählt habe, die Feen würden sich nicht ändern? Die Lichtfeen des Sommerhofes tragen bis zum heutigen Tag die weiße Rose des Hauses York und die Dunkelfeen des Winterhofes noch immer die rote Rose des Hauses Lancaster. Die Dunkelfeen zerstörten praktisch im Alleingang das Haus York, indem sie die ›Prinzen im Tower‹ entführten und Richard damit in erhebliche Schwierigkeiten brachten. Weil man ihn verdächtigte, die Kinder umgebracht zu haben, gelang es ihm nie, den Thron wirklich fest in der Hand zu haben, und als er im Kampf fiel, ging die Krone ans Haus Lancaster.«
Gut, man musste kein Genie sein, um zu ahnen, worauf Dad hinauswollte. Offensichtlich war ein Faeriewalker in die Angelegenheit verstrickt gewesen, obwohl ich nicht genau wusste, wie. Hochkonzentriert runzelte ich die Stirn.
»Also gibt es einen Zauberspruch, mit dem man Leute verschwinden lassen kann? Und ein Faeriewalker hat den Spruch in den Tower von London gebracht, und die Kinder – Simsalabim – weggezaubert?«
»Nein. Die Dunkelfeen haben einen Faeriewalker und einen Ritter des Winterhofes in die Welt der Sterblichen geschickt. Der Ritter hat eine Reihe von Verwirrungszaubern benutzt, so dass sie in den Tower eindringen und sich Zugang zu den Prinzen verschaffen konnten.«
»Einen Moment mal!«, sagte ich und setzte mich etwas aufrechter hin. »Ich dachte, die Faeriewalker können nur
Magie
in die Welt der Sterblichen bringen. Sie können auch
Leute
mitbringen?«
Dad nickte. »Den Faeriewalker umgibt eine Aura von Feenmagie. Wenn die Fee darauf achtet, in der Aura des Faeriewalkers zu bleiben, kann er – oder sie – in die Welt der Sterblichen gelangen, ohne dass die magischen Fähigkeiten darunter
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