Rosendorn
mir, Dana«, fuhr mein Vater fort. »Was Avalon betrifft, kann ich über dich verfügen. Deine Mutter ist nicht hier, ich allerdings schon. Das ist alles, was zählt.« Er streckte die Hand nach mir aus, doch ich zuckte zurück.
»Fass mich nicht an, und führ dich auch nicht so väterlich auf. Nicht nach der Ansage!«
Er hob die Augenbrauen. »Wäre es dir lieber gewesen, dass ich dich anlüge? Denn obwohl ich den Höfen von Faerie schon längst den Rücken gekehrt habe, war ich dort vor ewigen Zeiten eine Schlüsselfigur, und man überlebt nicht lange, ohne zu lernen, mit schockierender Leichtigkeit zu lügen.«
Ich machte mir nicht vor, dass er diese Fähigkeit nicht ohne mit der Wimper zu zucken gegen mich einsetzen würde, wenn er glaubte, dass es ihm einen Vorteil bringen könnte. Verdammt, alles, was er mir heute erzählt hatte, könnte erstunken und erlogen sein. Aber die hässliche Wahrheit war, dass er mich hier festhalten konnte, wenn er wollte. Das war das Einzige, von dem ich mir sicher sein konnte, dass es keine Lüge war.
Ohne ein weiteres Wort erhob ich mich und ging die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, während mein Vater ein Treffen zwischen meinen drei Möchtegern-Strippenziehern organisierte. Und als ich in mein Zimmer kam, nahm ich als Erstes den Anhänger mit der weißen Rose ab und schleuderte ihn in den nächsten Mülleimer.
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20 . Kapitel
E s war ein sehr langer Nachmittag. Nach dem Gespräch mit meinem Vater saß ich länger grübelnd in meinem Zimmer, als ich hier zugeben möchte. Ab und zu hörte ich das Telefon klingeln, und auch wenn ich versucht war zu lauschen, war es wahrscheinlich besser für mich, nichts von alledem zu wissen.
Finn kam um kurz nach sechs aus dem Krankenhaus. Ich verspürte im Augenblick nicht unbedingt den Drang, mehr Zeit mit meinem Vater zu verbringen als unbedingt nötig, aber ich
wollte
Finn sehen und mich selbst vergewissern, dass es ihm – wie durch ein Wunder – gutging.
Zu sagen, dass es ihm gutging, war zu hoch gegriffen. An der zögerlichen Art, wie er sich bewegte, und an dem angespannten Zug um seinen Mund konnte ich ablesen, dass er noch immer Schmerzen hatte. Sogar Dad fiel es auf, denn er drängte den Ritter, sich hinzusetzen. Dankbar sank Finn aufs Sofa.
»Geht es dir gut genug, um sie zu beschützen?«, erkundigte sich mein Vater. Vermutlich war sein Mitgefühl doch begrenzt.
Finn zuckte steif mit den Schultern. »Nicht, wenn ich sie durch die Stadt begleiten soll. Aber im Haus, mit dem zusätzlichen Schutz durch deine Bannsprüche, sollte es kein Problem sein.«
»Kannst du nicht jemanden bitten, der nicht verletzt ist?«, fragte ich Dad und biss mir auf die Unterlippe, als ich Finn ansah. Mir gefiel die Vorstellung nicht, dass er mich vielleicht würde verteidigen müssen, obwohl er schon verwundet war. Ich war mir nicht sicher, ob ich noch einen Alptraum wie heute Morgen überstehen könnte.
»Ich schaffe das«, erklärte Finn noch einmal, ehe mein Vater antworten konnte. »Ich würde das nicht sagen, wenn es nicht so wäre.«
Dad nickte zustimmend und wandte sich mir zu. »Sogar mit weniger als einhundert Prozent Einsatzkraft findet man keinen besseren Beschützer als Finn. Im Übrigen treffe ich Alistair und Grace in weniger als einer halben Stunde zum Dinner und zur strategischen Planung. Ich hätte also gar nicht mehr die Zeit, um Ersatz zu finden.«
Ich machte mir nicht die Mühe, mit ihm darüber zu diskutieren. Ich ziehe es vor, meine Energie für Kämpfe zu sparen, die ich auch gewinnen kann.
Zehn Minuten später verschwand Dad, und ich fragte mich, was ich zum Abendessen machen sollte. Ich hatte schon das Mittagessen ausfallen lassen, und obwohl Dad mich zum Tee gerufen hatte, war ich nicht auf sein Angebot eingegangen. Inzwischen hatte ich also einen Bärenhunger.
Mühsam kam Finn vom Sofa hoch, und ich zuckte mitfühlend zusammen.
»Bitte, bleib sitzen!«, sagte ich, obwohl er schon auf die Beine gekommen war. »Brauchst du etwas?« Wieder tauchten vor meinem inneren Auge die Bilder seines geschundenen blutigen Gesichts auf und des Messers, das durch seine Schulter bis in den Boden gerammt worden war. Und so mutig und stark wie er war, hatte er einen Schmerzensschrei doch nicht ganz unterdrücken können, als der Sanitäter die Klinge aus seinem Körper gezogen hatte.
»Ich bin kein Pflegefall«, entgegnete er und ging langsam in Richtung Küche.
Ich war entsetzt, als er begann, Essen aus dem Kühlschrank zu
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