Rosenherz-berbKopie
bekommen. Finanziell
pfiff er aus dem letzten Loch. Irgendwann, so hofften sie,
würde er sie zu der Beute fuhren. Und dann würden sie ihn sich
schnappen.
Hauptkommissar
Robert Marthaler hatte sich einen Termin geben lassen, war dann
zum zuständigen Richter gegangen und hatte ihn gebeten, einer
längerfristigen Überwachung Bernd Kirchhoffs zuzustimmen. Das
Gegenteil hatte er bekommen. Der Richter hatte ihn geduldig
angehört und dann mit großer Bestimmtheit Nein gesagt. Als
Marthaler auch nach dem zweiten Nein noch nicht aufgeben
wollte, war der Richter laut geworden: «Was wollen Sie, Marthaler?
Der Mann ist freigesprochen worden. Sie haben nichts, was Sie nicht
damals schon beim Prozess gehabt hätten. Keine neue Spur,
keinen neuen Hinweis, keine neue Aussage. Weil Sie den besten
Verdächtigen dem Gericht nicht präsentieren konnten, haben
Sie den zweitbesten genommen. Wollen Sie sich ein weiteres Mal
blamieren? Was den Fall Yasemin angeht, ist der Mann so sauber wie
der Arsch eines Engels. Sie werden ihn nicht überwachen. Nicht
einen Tag, nicht zwei Tage und schon gar nicht über mehrere Wochen.
In diesem Land sind es immer noch die Gerichte, die sagen, was Recht
und was Unrecht ist. Nicht die Staatsanwaltschaft, nicht die Anwälte
und schon gar nicht die Polizei. Und wenn das Gericht sagt, dass er
unschuldig ist, dann ist er unschuldig! Ich untersage Ihnen und
Ihren Leuten, sich dem Mann auf mehr als fünfzig Meter zu nähern!
Haben Sie das verstanden?»
Marthaler
hatte einen letzten Versuch gemacht zu widersprechen. Der
Richter war mit rotem Kopf aufgesprungen, hatte die Tür seines
Büros aufgerissen und seinen Besucher angebrüllt: «Kein Wort
mehr! Raus jetzt! Und zwar sofort!»
Als
in Bernd Kirchhoffs Kellerwohnung auf der gegenüberliegenden
Straßenseite wie jeden Abend um diese Zeit die Deckenlampe
eingeschaltet wurde und die Silhouette des Mannes hinter den
Gardinen erschien, gestand sich Marthaler zum ersten Mal ein,
dass der Richter womöglich recht gehabt hatte, dass das Ganze mit
einer erneuten Niederlage enden könnte, dass sie den Fall
vielleicht niemals lösen würden. Trotzdem starrte der
Hauptkommissar weiter auf das erleuchtete Fenster, als könne er
dadurch seine Verzagtheit Lügen strafen.
Dann
warf er einen Blick in den Rückspiegel und sah, wie sich seine
Kollegin Kerstin Henschel dem Wagen näherte. Sie trug Jeans,
schwarze Nikes und eine helle Jacke, unter der sich das Holster
ihrer Dienstwaffe verbarg. Nachdem sie zur Begrüßung aufs Autodach
getippt hatte, öffnete sie die Tür und setzte sich auf den
Beifahrersitz.
«Und?»
«Nichts»,
antwortete Marthaler.
«Wie
immer.» Sie warf einen Blick auf das Kellerfenster. «Du glaubst
nicht, wie mir dieser Typ zuwider ist. Immer wenn ich ihn sehe, muss
ich an unsere Verhöre denken. Diese weichen, langsamen Bewegungen,
so ein schmieriger Schleicher ...»
«Kerstin,
ich frage mich, wie lange wir das noch durchhalten. Ich merke
jedenfalls, dass ich während der Dienstzeiten immer müder und
unkonzentrierter werde. Ich fürchte, unsere Aktion fliegt
irgendwann auf. Jede Woche zwei, drei Extraschichten zu machen, das
kann auf Dauer nicht gutgehen.»
«Täuscht
mich mein Gedächtnis, oder warst du es, der diese Aktion
vorgeschlagen hat? Der gesagt hat, wir müssen ihm auf den Fersen
bleiben, um den Mord an Yasemin doch noch aufzuklären?»
«Schon,
aber ...»
«Und
wir alle fanden es richtig. Wir haben gesagt, dass wir so lange
weitermachen, bis wir ihn haben. Und wir werden ihn kriegen ... Ach,
Scheiße, Robert!»
«Was?»
«Eigentlich
wollte ich dir heute mal die Ohren volljammern, um mir ein paar
Streicheleinheiten zu holen. Jetzt bist du mir zuvorgekommen, und
nun bin ich es,
die dich aufmuntern
muss. Außerdem hast du jetzt sowieso Feierabend. Also sieh zu, dass
du Land gewinnst.»
Marthaler
lachte. «Das werde ich tun. Dann hol jetzt deinen Wagen; ich
werde den Parkplatz so lange blockieren und direkt vor dir
rausfahren.»
Plötzlich
fasste ihn seine Kollegin am Unterarm: «Sag mal, Robert, ist das
nicht...»
Marthaler
sah es im selben Moment. Zwei Häuser weiter waren ein Mann und eine
Frau aus dem Eingang getreten. Die Frau war Tereza. Die beiden
unterhielten sich. Tereza lachte.
Gerade
als Marthaler die Autotür öffnen und Tereza begrüßen
wollte, legte der Mann eine Hand auf ihre Schulter. Tereza ließ es
geschehen.
Kerstin
Henschel schaute Marthaler prüfend an: «Was ist mit dir?»
«Nichts,
ich meine ...
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