Rosenherz-berbKopie
Gläser Wein getrunken hatte, alles
erzählt. Dann wäre sie nach Budapest geflogen und hätte ihn mit
seiner Enttäuschung alleine gelassen.
Aber
vielleicht bildete er sich das alles nur ein. Seine Eifersucht
ließ ihn vermutlich Gespenster sehen. Tereza hätte ihn nicht darum
gebeten, sich versetzen zu lassen, wenn sie nicht bleiben und das
Kind gemeinsam mit ihm aufziehen wollte.
Für
den Vorfall in der Schwarzburgstraße gab es eine ganz und gar
harmlose Erklärung. Bloß welche?
Auf
einem abschüssigen Weg lief er in den Wald hinein, geriet schon
nach ein paar Metern ins Straucheln, merkte, dass es bereits zu
dunkel war, und bog bei nächster Gelegenheit wieder ab ins
Freie. Schon von ferne sah er auf dem Weg zwischen den Feldern die
Silhouette des Mannes unter den riesigen Masten der
Überlandleitungen, dann die beiden Hunde, die aus einem Graben
kletterten und nun auf ihn zugerannt kamen.
Langsam
trabte er weiter. Jetzt hörte er, dass der Mann nach den Hunden
rief. Die Tiere ließen sich nicht irritieren. Sie kamen mit
unverminderter Geschwindigkeit auf Marthaler zu.
Als
sie nur noch zehn Meter entfernt waren, hielt er abrupt an und
schrie: «Stopp! Halt! Aus!»
Kurz
vor ihm kamen die Hunde zum Stehen. Es waren Mischlinge in der Größe
von Schäferhunden. Sie stemmten ihre Pfoten auf den Boden und
begannen zu knurren. Dann schlug das ältere Tier einen leichten
Bogen und versuchte, sich seitlich von Marthaler zu positionieren.
Er
machte eine rasche Bewegung nach vorne, als wolle er die Hunde
angreifen. Sie wichen ein wenig zurück, begannen aber sofort
wieder, die Zähne zu fletschen, und umkreisten ihn.
Er
tastete nach seinem Hülster, zog die Waffe hervor und entsicherte
sie.
Endlich
näherte sich der Hundebesitzer. Schon von weitem rief er
Marthaler zu: «Sind Sie verrückt geworden? Was machen Sie denn da?
Stecken Sie gefälligst die Pistole ein!»
Stattdessen
klappte Marthaler seine Brieftasche auf und zeigte seinen
Dienstausweis: «Polizei. Rufen Sie die Hunde zurück und leinen Sie
sie augenblicklich an, sonst werde ich sie erschießen.»
Tatsächlich
gehorchten die Tiere jetzt. Kopfschüttelnd legte der Mann ihnen die
Leinen an, dann zog er schimpfend ab.
Marthaler
lief weiter. Nach einer halben Stunde kehrte er um und nahm den
gleichen Weg zurück zum Auto. Wahrscheinlich saß Tereza jetzt
vor der Geflügelterrine und wartete auf ihn. Er wollte ihr
heute nicht mehr begegnen, hatte Angst, einen Fehler zu machen. Er
würde erst nach Hause kommen, wenn er sicher sein konnte, dass sie
schlief.
Er
stieg er in seinen Wagen und fuhr zurück in die Stadt. Als er in
Sachsenhausen angekommen war, merkte er, dass er Hunger hatte.
In
der Nähe des Südbahnhofs fand er einen Parkplatz. Er lief die
Textorstraße entlang, wo sich einige der alten
Apfelweinwirtschaften befanden. Ohne zu überlegen, steuerte er
auf die Germania zu,
jenes Restaurant, wo sie an dem Abend, als Tereza bei ihm eingezogen
war, gemeinsam gegessen hatten.
Am
Rand einer der langen Bänke im Hof fand er einen freien Platz.
Marthaler nickte seinem Nachbarn wortlos zu und setzte sich. Er
wollte signalisieren, dass er keine Gesellschaft suchte, dass
man sich nicht um ihn kümmern sollte. Als der Kellner kam,
bestellte er einen Schoppen und ein gegrilltes Rippchen. Bevor sein
Essen gebracht wurde, hatte er bereits zwei Gläser geleert. Dann
stieg er um auf Pflaumenschnäpse, zwang sich aber, langsam zu
trinken. Er wollte das Lokal mit einem Rausch verlassen, aber es
sollte nicht zu schnell gehen.
Um
kurz nach eins bat ihn der Kellner zu zahlen. Marthaler wankte
auf die Straße. Schnaufend schleppte er sich den Großen Hasenpfad
hinauf. So leise wie möglich öffnete er die Wohnungstür. Er lugte
ins Schlafzimmer. Tereza lag im Bett und rührte sich nicht. Sie
atmete gleichmäßig und tief.
Er
zog sein Jackett und seine Hose aus, dann holte er eine Wolldecke
und legte sich im Wohnzimmer auf die Couch. Wenige Augenblicke
später war auch er eingeschlafen.
Um
Viertel vor vier Uhr klingelte Terezas Wecker. Sie hatte Mühe, wach
zu werden. Bis um elf hatte sie auf Marthaler gewartet, dann
hatte sie den Tisch abgeräumt und war ins Bett gegangen, um
wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen. Als sie ihn nun im
Nebenzimmer schnarchen hörte, lächelte sie.
Sie
musste sich beeilen. Ihr Taxi würde in zehn Minuten vor der Tür
stehen. Das Flugzeug ging um zwanzig nach sechs. Das Frühstück
würde sie aufschieben müssen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher