Rosenherz-berbKopie
hoffte, vor dem Abflug noch
Zeit für einen Kaffee und ein Sandwich zu haben.
Schon
vor Monaten war sie nach Budapest eingeladen worden, um dort an der
Vorbereitung einer Ausstellung mitzuwirken. Die ungarischen
Museumsleute hatten ihre Kollegen vom Städel um eine besonders
wertvolle Leihgabe gebeten: Tereza sollte das berühmte Paradiesgärtlein des
Oberrheinischen Meisters mitbringen, jenes kleine Gemälde
eines unbekannten Malers, das zu den großen Schätzen des
Frankfurter Museums gehörte und in das sich Marthaler sofort
verliebt hatte, als sie ihn das erste Mal auf das Bild aufmerksam
gemacht hatte. «Sollten wir je ein eigenes Haus haben», hatte er
gesagt, «werden wir einen solchen Garten anlegen. Mit Gänseblümchen
und Erdbeeren, mit Malven, Klee und Veilchen.» - «Ja», hatte
Tereza geantwortet, «Hauptsache, du setzt mir nicht eine Krone
auf, wie sie Maria hier trägt.»
Eigentlich
hatte sie Marthaler gestern Abend endlich von Ludwig Dormann
erzählen wollen, ihrem ehemaligen Mitstudenten, den sie lange aus
den Augen verloren, aber vor einigen Wochen in Frankfurt zufällig
wieder getroffen hatte. Als sie gemeinsam in Prag studiert hatten,
waren sie eine Zeitlang unzertrennlich gewesen, auch wenn Tereza es
immer abgelehnt hatte, den Avancen Ludwigs nachzugeben. Er war ein
gutaussehender junger Mann, und er wusste das. Seine Liebschaften
wechselten häufig, weshalb Tereza ihm den Spitznamen
«Schmetterling» gegeben hatte. Sie freute sich, dass Dormann jetzt
seinen Posten als stellvertretender Direktor des Museums Giersch
angetreten hatte und dass sie ihre Freundschaft wieder aufleben
lassen konnten. Es würde ihr helfen, sich in Frankfurt heimischer
zu fühlen. Dennoch hatte sie Scheu gehabt, ihren Lebensgefährten
und ihren Studienfreund einander vorzustellen. Sie wusste, dass
Marthaler öfter eifersüchtig war, als er zugab.
Zwar
schmeichelte ihr, dass Ludwig, der von vielen Frauen begehrt wurde,
sie noch immer umwarb, aber gestern hatte sie ihm unmissverständlich
klargemacht, dass sie nur dann Freunde sein konnten, wenn er das
unterließ. «Ja», hatte er geantwortet, «für einen Schmetterling
wie mich bist du wohl wirklich zu schade». Sie hatte ihm einen Kuss
gegeben und sich von ihm verabschiedet.
Heute
Morgen würden sie sich bereits wiedertreffen. Der Kollege, der sie
eigentlich begleiten sollte, war krank geworden, deshalb hatte
sie Ludwig gebeten, mit ihr und den beiden Männern vom
Sicherheitsdienst zum Flughafen zu fahren.
Ihre
Reisetasche stand gepackt neben der Wohnungstür. Tereza warf einen
letzten Blick in den Spiegel, richtete die noch feuchten Haare, zog
die Jacke über und überprüfte, ob sie alles eingesteckt hatte:
Reisepapiere, Kreditkarte, Handy, Schlüssel und die Notizen für
den Vortrag, den sie bei der Ausstellungseröffhung halten sollte.
Im
Wohnzimmer gab sie dem schlafenden Marthaler zum Abschied einen Kuss
auf die Stirn. Dann ging sie noch einmal zurück in die Küche,
suchte nach einem Bleistift und kritzelte hastig ein paar Worte auf
einen Zettel: «Puh, Du schnarchst und stinkst, aber ich liebe Dich.
Sehr. Wir beide freuen uns auf Dich. Wirlieben Dich! Tereza und das
Baby».
Sie
legte den Zettel neben die Espressomaschine.
Der
Taxifahrer fluchte, als er in der noch leeren Gartenstraße abrupt
bremsen musste, weil zwei Motorräder eine rote Ampel
missachteten, ihm die Vorfahrt nahmen und gleich darauf in einer
Seitenstraße verschwanden.
Wenig
später hielt der Wagen am Städel an. Ludwig Dormann und die beiden
Security-Leute warteten bereits vor dem Seiteneingang. Tereza zahlte
den Taxifahrer, ließ sich eine Quittung geben und stieg aus. Sie
lächelte Dormann zu, grüßte die beiden Wachmänner flüchtig,
stellte ihre Tasche neben dem Kleintransporter ab und verschwand im
Inneren des großen Gebäudes.
Keine
zehn Minuten später kam sie mit einem Paket wieder heraus. Sie
hatte das Paradiesgärtlein bereits
gestern verpackt und dann über Nacht im Tresor ihres Büros
eingeschlossen.
Einer
der Wachleute saß am Steuer des umgebauten Mercedes Vito und
hörte Radio. Er hatte die Scheibe heruntergelassen. In der
Rechten hielt er einen Plastikbecher mit Kaffee. Neben ihm auf dem
Beifahrersitz hatte Ludwig Dormann Platz genommen. Tereza sollte mit
dem zweiten Wachmann im Laderaum bis zum Flughafen fahren. Dort
wollte man den Kleintransporter im Parkhaus abstellen. Die drei
Männer würden sie bis zum Gateway begleiten - so hatten sie es
verabredet. Für das
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