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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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und andere Opfer von Gewalttaten wären für Ihre Psyche weniger belastend als vergewaltigte Frauen und Kinder?«
    »Ja«, behauptete Annika. »Verstehen Sie, es ist nicht die Ermittlungsarbeit an sich, ganz im Gegenteil. Ich glaube, niemand hat ein schöneres Gefühl der Selbstbestätigung wie wir, wenn wir einen Sexualtäter überführen können. Aber wenn ich dann an die Kinder denke, was diese Menschen ihnen angetan haben. viel länger stehe ich das nicht durch.«
    Wielert rieb erneut über seine Beule. »Frau Schäfer, natürlich kann ich Ihnen im Moment keine Versprechungen machen. Ihre Vorgesetzten sind von Ihrer Arbeit angetan, Sie sind engagiert und nicht auf den Kopf gefallen. Eigentlich hervorragende Voraussetzungen, um bei uns zu arbeiten.«
    »Aber?«, fragte Annika.
    »Kein Aber. Ich selbst habe ebenfalls einen sehr guten Eindruck von Ihnen gewonnen, die Zusammenarbeit mit Ihnen verlief immer reibungslos. Allerdings reden Sie offen darüber, dass Sie Probleme damit haben, sich von den Opfern und Fällen in Ihrem Dezernat zu distanzieren. Glauben Sie mir, wenn Sie vor einer Leiche mit gespaltenem Schädel stehen, ist es auch nicht einfach, Distanz zu wahren. Ohne die nötige Selbstdisziplin und einer gehörigen Spur Kaltschnäuzigkeit besteht auch bei uns die Gefahr, vor die Hunde zu gehen.«
    »Ich würde es gerne versuchen«, beharrte Annika standhaft. »Sexualdelikte haben nach meinem Empfinden eine andere Qualität als andere Gewaltdelikte. Und ich bin fest davon überzeugt, dass ich im KK 11 mindestens genauso gute Arbeit leisten werde wie in meiner jetzigen Abteilung.«
    Wielert schmunzelte erneut, dann stutzte er. Für einen Moment vergaß er Annika.
    »Herr Wielert?«, fragte Schäfer, als sie befürchten musste, ihr Gesprächspartner sei in Trance verfallen.
    »Ich fasse es nicht«, stammelte Wielert und brach sich fast die Finger, während er den Rekorder auf Standbild schaltete. »Kommt Ihnen dieses Gesicht nicht auch bekannt vor?«
    Annika beugte sich über den Schreibtisch und sah auf den Fernseher. »Das könnte doch. nein, das ist.«
    »Genau«, japste Wielert und griff zum Telefon. Hastig durchwühlte er das Chaos auf seinem Schreibtisch, bis er die Freiburger Nummer gefunden hatte. Beim ersten Versuch verwählte er sich, fluchte und startete einen zweiten Versuch.
    »Wielert, Kripo Bochum, Tag, Herr Kollege. Ich sehe mir gerade das Video an, das Sie uns. Sie haben was?«
    In den nächsten Sekunden hörte der Hauptkommissar atemlos zu, an seiner Gesichtsfarbe erkannte Annika, dass Wielert im Augenblick einen Blutdruck jenseits der zweihundert hatte.
    »… und der Mann ist sich absolut sicher? Kein Zweifel möglich? – Nein, bisher noch nicht. – Ja, die Person ist uns bestens bekannt. – Ich besorge mir ein Foto und faxe es Ihnen zu. – Wann können Sie mit dem Zeugen gesprochen haben? – Hervorragend, das wäre genial. – Ja, Ihre Faxnummer habe ich. Bis dann.«
    »Ich glaube es nicht!«, überschlug sich Wielert fast, als er den Hörer wieder aufgelegt hatte. »Freiburg hat einen Zeugen! Montagabend, kurz nachdem Sebastian Monka zu Tode gekommen ist, hat ein Mann auf der Landstraße, unweit des Tatortes, bei einer Reifenpanne geholfen. Wenn jetzt die Identifizierung positiv ausfällt – das wäre unglaublich.«
    Annika ließ sich von Wielerts Aufregung anstecken. Mit flatterigen Fingern schob sie ihm die Blätter herüber, die sie mitgebracht hatte.
    »Ich wusste erst nicht, ob das wichtig ist, aber zeigen wollte ich Ihnen das auf jeden Fall. Bin vorhin drüber gestolpert, als ich die Liste von Swobodas ehemaligen Mitarbeitern durchgegangen bin. Sehen Sie mal, wer vor mehr als zwanzig Jahren für den gearbeitet Hat.«
    Wielert verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Und das wäre eine Verbindung, die einiges erklären würde. Langsam bekomme ich eine Vorstellung davon, wie das alles zusammenhängen könnte.«
    »Furchtbar«, seufzte Annika.
    Der Leiter des KK 11 sah auf seine Armbanduhr. »Mit ein bisschen Glück sind wir in zwei, drei Stunden wesentlich schlauer.«

42
    Die Fliege hatte scheinbar lange genug auf einer Stelle gesessen.
    Knapp zwanzig Zentimeter oberhalb der kleinen Kommode, neben der Vase mit dem kräftig nach Gewürzen duftenden Trockenstrauß hatte sie seit über einer halben Stunde mit dem Kopf nach unten verharrt, sich gelegentlich die Vorderbeine geputzt und war über ihre Facettenaugen gefahren. Nun schien es ihr zu langweilig zu werden. Sie krabbelte

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