Rosenmunds Tod
»Hast du keinen Hunger? Ich könnte uns doch etwas kochen.«
41
»Hallo, Herr Wielert. Stör ich?«
Der Leiter des KK 11 hob aus einem Reflex heraus den Kopf und knallte unter die Tischplatte seines Schreibtisches. Mit einem quiekenden Schmerzenslaut rieb er sich die gepeinigte Stelle und kroch ein Stück zurück.
»Oh, das tut mir Leid«, stotterte Annika Schäfer. »Haben Sie sich wehgetan?«
»Holz auf Holz«, knatschte Wielert mürrisch und schaute auf seine Finger. Kein Blut, wenigstens etwas.
»Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
Wielert schüttelte den Kopf und ging um seinen Tisch herum. Der kleine Fernseher und der Videorekorder, den er sich aus dem Medienraum besorgt hatte, waren bereits mit Strom versorgt.
»Nein. Was gibt es denn?«
»Ich hatte mich gefragt, ob Sie vielleicht fünf Minuten Zeit für mich hätten. Aber wenn es jetzt ungünstig ist.«
»Günstig ist es vielleicht in zwei Monaten wieder«, schnaufte Wielert.
Annika schluckte und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Klar, Wielert hatte heute Morgen eine Audienz beim Polizeipräsidenten gehabt. Sie konnte sich in etwa vorstellen, wie die abgelaufen war. Und die Besprechungen und Vernehmungen, die nach dem Auffinden der Mädchenleiche in der Toilette durchgeführt worden waren, hatten ihn und seine Leute keinen Schritt weitergebracht.
»So schlimm?«, fragte sie trotzdem.
Wielert winkte ab. »Flenner neigt halt zu cholerischen Anfällen. Sobald wir den Mörder haben, wird er wieder voller Stolz auf seine Mitarbeiter herabblicken.«
Schäfer zwirbelte die paar Blätter Papier, die sie in den Händen trug, zusammen und überlegte, ob sie sich nicht lieber wieder verdünnisieren sollte. Sie hatte noch nie einen der Dezernatsleiter so respektlos über Flenner sprechen gehört. Wielert nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sich auf seinen Stuhl plumpsen ließ und ihr einen seiner Besucherstühle anbot.
»Ich wollte schon längst mal mit Ihnen über dieses Thema sprechen«, begann sie zaghaft. »Ist auch nicht sonderlich dringend, nur eine generelle Anfrage. Aber nur, wenn ich Sie nicht störe.«
»Na los«, forderte Wielert etwas freundlicher und schob eine Kassette in den Schacht des Videorekorders. Die Kopie mit dem Überwachungsband aus der Videothek in Freiburg, in der der ermordete Jugendliche gejobbt hatte, war heute Mittag in der Post gewesen. Und bevor er sich zu den Kollegen hockte, die im Medienraum immer noch Swobodas Videothek durchpflügen mussten, hatte er kurzerhand die benötigten Geräte in sein Büro geschafft.
»Im KK 11 ist doch immer noch die Stelle von Herrn Heinzel unbesetzt; wie ich gehört habe, wird die demnächst auch ausgeschrieben. Ist schon jemand dafür in der engeren Wahl?«
»Möchten Sie zu uns wechseln?«
»Im Prinzip sehr gerne.«
»Warum?«, fragte Wielert und schaltete den Rekorder auf schnellen Vorlauf. Die Freiburger Kollegen hatten die Aufzeichnung schon mehrfach gecheckt und nichts Auffälliges gefunden, trotzdem verließ er sich lieber auf sein eigenes Urteil.
»Nun, ich bin jetzt schon seit ein paar Jahren beim KK 12. Es wäre mal wieder Zeit für einen Tapetenwechsel. Und da ich ja schon einige Male mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern zusammengearbeitet habe, dachte ich.«
Wielert behielt ein Auge auf dem Bildschirm. »Gefällt es Ihnen im KK 12 nicht mehr?«
»Doch«, versicherte Annika schnell. »Aber auf Dauer ist es auch sehr anstrengend.«
»Aha. Bei uns schiebt man aber eher selten eine ruhige Kugel.«
»Nein, so meinte ich das gar nicht. es ist nur.«
»Frau Schäfer, ich würde Ihre Motive gerne nachvollziehen können. Es stimmt, Heinzels Stelle wird in der Tat demnächst ausgeschrieben. Bisher sind dafür zwar noch keine Namen im Gespräch, aber mitunter geht so etwas ja ziemlich schnell.«
Annika rutschte ein Stück vor. »Es sind die Fälle«, rang sie sich durch. »So etwas wie im Moment, die missbrauchten Kinder. Ich fürchte, auf Dauer kann ich. nicht genügend professionelle Distanz halten.«
Wielert nickte verständnisvoll und sah aufmerksamer auf den Bildschirm. Der eingeblendete Time-Code hatte einen Sprung gemacht. Offensichtlich hatten die Freiburger Kollegen das Band schon bearbeitet, sodass nur die Passagen zu sehen waren, in denen Monka Kundschaft hatte.
»Es belastet mich. Abgesehen davon kann es doch nicht schaden, wenn ich Erfahrungen in anderen Dezernaten sammle. Immerhin habe ich die meisten meiner Dienstjahre noch vor mir.«
»Und Sie glauben, Tote
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