Rosenrot
herausfindet.«
»Personalmangel?«
»Er weigert sich, mit unseren Leuten von der Internabteilung zu reden.«
»Das hat euch doch nie gehindert.«
Niklas Grundström machte eine kleine Pause und blätterte sinnlos in einem Papierstapel. »Seit ich die Abteilung übernommen habe«, sagte er, »versuchen wir, eine neue Strategie umzusetzen. Die Anzahl der Ermittlungen ist höher denn je, das wisst ihr, und in dieser Lage müssen wir eine funktionierende Arbeitssituation aufrechterhalten können. Die Existenz der Abteilung für interne Ermittlungen insgesamt ist in Frage gestellt. Immer öfter werden Forderungen nach unabhängigen Ermittlungen gegen angeklagte Polizeibeamte laut, wie im Fall Osmo Vallo. Dann wird es bedeutend härter als heute, Polizist zu sein. Und es ist schon hart genug. Ich habe die wasserdichten Schotten zwischen uns und euch abbauen wollen. Deshalb brauche ich eure Hilfe.«
Paul und Kerstin wechselten Blicke.
Glaubwürdig? Tja, vielleicht. Aber mit Einschränkungen.
»Warum gerade unsere?« fragte Kerstin Holm.
Niklas Grundström seufzte tief und biss in den sauren Apfel: »Weil es heißt, dass ihr die Besten seid.«
»Die Besten worin?« fragte Paul, um noch einen weiteren Biss ins Saure zu provozieren.
»Die besten Vernehmungsleiter. Bist du jetzt zufrieden?«
Kerstin sprang ein: »Erzähl schon.«
Grundström holte ein Blatt Papier heraus, auf das er während der folgenden Darstellung keinen einzigen Blick warf: »Gestern Nachmittag wurde die Stadtteilpolizeiwache Huddinge tätig aufgrund eines Hinweises, dass fünf zur Abschiebung verurteilte afrikanische Flüchtlinge sich in einer Wohnung im Ortsteil Flemingsberg versteckt hielten. Vier Polizeiassistenten trafen ...«
»Aufgrund eines Hinweises?« unterbrach Hjelm tonlos.
»Eines Hinweises«, bekräftigte Grundström sinnlos.
»Eines anonymen Hinweises?« fuhr Hjelm ebenso tonlos fort.
Grundström wand sich ein wenig. »Der Hinweis kam von der Migrationsbehörde. Darf ich weitermachen?«
»Aber selbstverständlich.«
»Vier Polizeibeamte begaben sich zu der angegebenen Wohnung und sammelten die Flüchtlinge ein. Einer von ihnen, ein Winston Modisane aus Südafrika, konnte jedoch durch ein Fenster aus der Wohnung fliehen und gelangte über die Brandleiter auf das Dach des Hauses. Einer der Beamten verfolgte ihn. Auf dem Dach angekommen, schoss Modisane auf ihn. Der Beamte erwiderte das Feuer – mit einem einzigen Schuss. Er traf direkt ins Herz. Winston Modisane war auf der Stelle tot. Es gelang uns, den Vorfall bis heute früh aus den Medien herauszuhalten. Gewisse gewiefte Blätter haben es jedoch in der Frühausgabe gebracht.
Paul und Kerstin sahen sich an, doch es war Hultin, der sagte: »Aber das hört sich ja nach einer regelrechten Schießerei an ...«
Grundström schnitt eine Grimasse und sagte: »Es gibt gewisse erschwerende Umstände ...«
»Wie zum Beispiel?«
»Wie zum Beispiel, dass die Einsatzgruppe die Tür einschlug, ohne vorher zu klingeln. Wie dass der betreffende Beamte erst kürzlich nach längerer Suspendierung wieder in Dienst getreten war. Nach menschlichem Ermessen hätte er entlassen werden müssen, aber irgendwo hat irgendwer Gnade vor Recht ergehen lassen. Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse.«
Etwas in Kerstin Holm geriet in Bewegung. Ein tiefes und unmittelbares Unbehagen. »Warum war er suspendiert?« fragte sie mit einer so eigentümlichen Stimme, dass Paul Hjelm sie entgeistert anstarrte.
»Wegen Alkoholproblemen«, sagte Niklas Grundström kristallklar.
Und das tiefe und unmittelbare Unbehagen wurde rosenrot.
Grundström fuhr erbarmungslos fort: »Er heißt Lundmark. Dag Lundmark.«
3
Mitten im Zentrum von Flemingsberg, genauer gesagt im Diagnosväg, nicht weit von der Post, ragte Giottos im dreizehnten Jahrhundert entworfener Campanile zum Himmelsgewölbe empor. Auf der anderen Seite von Hälsovägen erstreckten sich am Ufer des Arno die Uffizien, vollgehängt mit Botticellis, Raffaels, Michelangelos und Leonardo da Vincis. Und unten am Huddingeväg, gleich diesseits der roten Ampel, lag der Dom mit Brunelleschis mächtiger roter Kuppel.
Oder auch: Arto Söderstedt hatte Sehnsucht nach Italien.
Viggo Norlander hatte diesen Zustand wirklich reichlich satt. Er lag wie ein Schleier vor den Augen des Kollegen, und Viggo meinte zu sehen – wie in einem kitschigen Reklamefilm –, wie die toskanischen Szenerien einander auf diesem Schleier ablösten. Und das war äußerst
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