Rosenschmerz (German Edition)
Lustschreie schnitten durch die Luft. Der Bettler
bemerkte es nicht. Der Hund schlief.
»Nein, ich hab den Strauß Rosen, der mir geliefert wurde, nicht
bestellt«, gab Morlock endlich zu. Eine Schüssel mit Straßburger Fischsuppe
stand vor ihm. Daneben ein Achtel Lugana. Sie saßen auf Hockern an der
halbrunden Bar, die um diese Zeit fast leer war. »Die Rosen sind mir einfach
zugeflogen.«
Ottakring schwoll schon wieder der Kamm. »Aha, zugeflogen«, sagte
er. »Flatternd wie ein Kolibri? Himmelsakra, Sie werden doch wohl gewusst
haben, wer Ihnen Rosen schickt? Oder?«
Er trank seinen Espresso leer. Beim heftigen Abstellen brach der
Henkel. Diesen Henkel rammte er Morlock fast gegen die Nase.
»Kennen Sie Katharina Silbernagl?«, rief er laut. »Haben Sie je
schon von dieser Dame gehört? Sie kannten sie vermutlich besser unter dem Namen
Catrin. Hat die Ihnen den Strauß geschickt?«
Sein Gegenüber machte einen eher ungeduldigen als ängstlichen
Eindruck. Trotzdem schwieg er eine halbe Minute lang. Dann sagte er: »Ja!«
Ottakring stand auf und legte beide Hände auf die Schulter des
Professors. Sein Blick war unnachgiebig. »Okay. Und jetzt müssen Sie mir nur
noch sagen, warum eine angeblich wildfremde Frau ausgerechnet Ihnen Rosen
schickt.«
Auf Morlocks Gesicht hatte sich ein Ausdruck gelegt, der sehr an
einen Hund erinnerte, der gerade das Riesensteak vom Küchentisch geangelt hat.
Eine Mischung aus Blamage, Trotz und Fluchtversuch. »Das möchte ich nicht
sagen.«
»Okay«, sagte Ottakring. »Sie haben Gefühle für sie. Sind es Gefühle
wie für eine Tochter oder für eine Frau?«
»Auch das möchte ich nicht preisgeben.«
»Na dann.« Ottakring verschwand mit gezücktem Handy kurz hinter
einem Stapel Büchsensuppen. Sehr aufgeräumt kam er wieder. »Dann werde ich Sie
in wenigen Minuten mit einer Tatsache konfrontieren, die Ihnen die Tränen in
die Augen treiben wird.«
*
Katharina Silbernagl hatten sie hinten im vergitterten
österreichischen Polizeiauto untergebracht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte
die junge Frau Handschellen an. Der struppige Polizist hatte Kathis verlockende
Angebote kaltschnäuzig übergangen und war immer noch dienstlicher geworden. Bis
zur Oberaudorfer Grenze blieb das so. Hier erinnerte das alte Zollhaus daran,
dass bis vor wenigen Jahren Schlagbäume, Zollschranken und uniformierte Beamte
die Grenzgängerei erschwert hatten. Erst ab Grenze galt der deutsche
Haftbefehl. Kurz nach der Innbrücke gab es auf deutscher Seite einen Parkplatz.
Deshalb wechselten sie das Fahrzeug und Kathi stieg zu den beiden deutschen
Kriminalerinnen um. Die jüngere mit dem blonden Zopf saß am Steuer, die
sportlich gekleidete Toledo auf dem Rücksitz rechts neben Kathi.
Die Deutschen verzichteten auf Handschellen.
»Geh, zier dich nicht so«, rief ihr die Fahrerin über die Schulter
zu. »Sag uns, wie’s wirklich war.«
Kathi war durchaus in der Laune, zu plaudern. Tratschen, wie sie das
hier nennen. »Was sagen?«, fragte sie, obwohl sie bereits zu wissen glaubte,
worum es ging.
»Na ja, Sie waren ja auch in der Sauna, als Niki Kirchbichler
gestorben ist«, sagte Toledo neben ihr.
»Ich? In der Sauna? Wie kommen Sie darauf?«
»Ihre Fingerabdrücke. Wir haben so wundervolle Fingerprints von
Ihnen am Guckfenster gefunden, dass jeder Richter zwei, drei Luftsprünge machen
wird vor Übermut.«
Kathi konnte das nicht erschüttern. »Selbstverständlich war auch ich
schon einmal in der Sauna gewesen«, sagte sie. »Von welchem Tag stammen denn
Ihre Fingerprints?«
Kathi erhaschte den Blick vom Fahrersitz, der sich über den
Rückspiegel an die neben ihr sitzende Toledo richtete. Sie schnappte auch deren
unmerkliches Kopfschütteln auf.
»Das werden Sie nachher alles bei der Ermittlungsrichterin erfahren.
Die wird Ihnen auch den Grund für den Haftbefehl erklären.« Toledo zögerte
kurz. »Wenn sie mag«, fügte sie hinzu.
Sie kamen nur langsam vorwärts. Die übliche Lkw-Kette, die sich auf
der A93 von
Kufstein bis zum Inntaldreieck erstreckte, bremste jeden Fluss. Kathi sah aus
dem Fenster. Links der Wildbarren. Wie Schemen ragten vereinzelt schwärzliche
Baumskelette aus dem zugeschneiten Bergwald. Im Hintergrund das kantige, oben
abgesägte Massiv des Brünnstein, das wie ein monströser Briefbeschwerer in der
Gegend stand.
»Wir haben Sie vorhin schon gefragt, aber da mochten Sie vielleicht
wegen der österreichischen Kollegen nicht sprechen.«
Kathi hätte mit den
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