Rosenschmerz (German Edition)
Kinder?«
»Nein.«
»Was sind Sie von Beruf?«
Kathi zögerte kurz. »Goldschmiedin«, sagte sie nachsichtig. Der
Bursch gefiel ihr immer besser.
»Üben Sie diesen Beruf auch aus?«
»Nein.«
»Wovon leben Sie dann?«
»Das muss meine Nichte doch nicht beantworten, oder?«, warf Josef
ein. »Ihr spinnts doch.«
Der bisher freundliche Polizist lief rot an. »Sie, haltn’s Eahna
zruckch! Des isch a glatte Beamtenbeleidigung.«
»Doch, das muss Ihre Nichte durchaus beantworten. Gegen sie liegt
nämlich ein Haftbefehl vor.« Eine Frau, etwas älter als Kathi, sportlich und
gar nicht winterlich gekleidet, stand in der Tür. Sie trat vor.
»Kommissarin Toledo von der Rosenheimer Kripo«, stellte sie sich
vor. Sie hatte einen norddeutschen Akzent. Mit der einen Hand hielt sie eine
Messingmarke hoch, mit der anderen winkte sie mit einem Formular. »Und diese
beiden Herren begleiten uns auf österreichischem Boden.«
Wie eine Welle fiel ihr rotbraunes Haar auf die Schultern. In diesem
Licht fiel Kathi auf, dass die Augen der Polizistin unterschiedliche Farben
hatten.
Eine zweite Frau wartete vor der Tür.
»Meine Rosenheimer Kollegin«, erläuterte Toledo.
Die Frau war eindeutig jünger als Kathi und ihr auf Anhieb
sympathisch. Ein heiteres Gesicht mit blassem Teint und bläulichen Lippen, ein
breiter, blonder Zopf, der ihr nach vorn über die Schulter fiel.
Kathi verfolgte das Geschehen mit einer Aufmerksamkeit, als würde
sie in einem belebten Kaufhaus nach einem lohnenden Opfer suchen. Die Situation
verlangte höchste Konzentration. Niemand durfte merken, wie aufgeregt sie war.
Sie wollte absolut cool, kooperativ und freundlich wirken. Die Maske der
Unschuld überstreifen. Das Zittern ihrer Hände hätte ihr einen Strich durch die
Rechnung gemacht. Deshalb hielt sie sie hinter dem Rücken verborgen.
»Kommen Sie, Katharina«, sagte die Zopfpolizistin und griff sie am
Arm.
Aus Kathis Haar löste sich eine Klammer und fiel klappernd zu Boden.
Der freundliche Tiroler hob sie auf und reichte sie ihr.
Kathi hätte sich die junge Kriminalerin als Freundin gewünscht.
»Nix da, das ist allein unser Job«, empörte sich Struppi und griff
nach Kathis Arm. »Wir sind hier auf österreichischem Staatsgebiet.«
Er hatte eine Stimme, die einige Zahnräder in Kathis Sexualzentrum
zum Knirschen brachten. »Tierisch«, hauchte sie, ohne zu merken, dass man sie
hörte.
»Ha?«, kreischte der Tiroler.
Hoffnungsfroh zerrte Kathi ihren Arm aus der Umklammerung der
Deutschen und hielt ihn dem Österreicher hin. Untergehakt wie ein Pärchen, das
aus der Disko kommt, marschierten die beiden hinaus.
»Halt!«, rief Kathi hastig, im Sprechen einen Notfall erfindend.
»Ich muss noch aufs Klo.«
»Der Ausweis!«, krähte der Freundliche. »Wir brauchen Ihren
Ausweis.«
»Soll ich ihn alleine holen gehen?«, wisperte Kathi. »Dann könnt ich
auch gleich aufs Klo.«
»Nein, da komm ich mit«, befahl Struppi.
»Oh ja«, sagte Kathi und verdrehte die Augen.
*
»Meinen Ausweis?«, sagte Professor Karl Hermann Morlock
mit Zorn in der Stimme. »Den hab ich im Auto.«
Ottakring hatte ihn am Ausgang des Hörsaals abgepasst. Die
Studierenden, die an den beiden vorbei auf den Flur strömten, hätten an der
Situation nichts ungewöhnlich gefunden, wären ihr Prof und der Herr im
kamelfarbenen Wollmantel nicht von sieben entschlossen wirkenden Polizisten in
Uniform umringt gewesen.
»Ich kann auch anders, Herr Professor. Das hab ich bei unserem
letzten Gespräch betont«, sagte Ottakring mit ernster Miene. »Das hier ist nur
der Anfang. Wenn Sie mir jetzt nicht auf meine Fragen antworten, werde ich Sie
von Dromedaren über den Max-Josefs-Platz schleifen lassen.«
Morlock schien diese Art von Humor zu verstehen, denn er deutete mit
dem linken Mundwinkel ein verzagtes Lächeln an. »Na, dann frachen Sie amal«,
sagte er in unverfälschtem Fränkisch. Mit dem dumpfen »a« und dem verquollenen
»l« am Ende. »Aber bitte nicht hier. Nicht hier an meinem Arbeitsplatz. Und
nicht mit diesen Herren.« Er meinte die Uniformierten.
Morlock bestand darauf, ins Untergeschoss vom Karstadt zu gehen, wo
er eine Fischsuppe zu essen gedenke. Ottakring konnte sich Unangenehmeres
vorstellen und war einverstanden. Vor dem Haupteingang zum Karstadt lehnte ein
Bettler an der Wand. Neben ihm ein Plastiknapf mit Wasser für seinen
notleidenden Hund. Zwei Amseln missbrauchten das Trinkgefäß flügelratternd als
Badeanstalt. Ihre schrillen
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