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Rosenschmerz (German Edition)

Rosenschmerz (German Edition)

Titel: Rosenschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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sich drüben an die Seitenwand der Halle drückte. Wie in Trance
schaute sie in den grauen Himmel. Schneeflocken hatten sich auf ihrem Haar
gesammelt. Sie trug einen schwanenweißen Anorak mit Goldstickereien, Jeans,
braune Stiefel und keine Handschuhe. Ihre feingliedrigen Hände fielen ihm auf.
Es waren Hände, wie sie Klavierspieler haben.
    Zwei Ministranten warteten mit wichtiger Miene darauf, dass der
Pfarrer sich endlich fortbewegte. Einer schwenkte das Weihrauchfass.
    Eine Schneeflocke landete auf Ottakrings Nase.
    »Sie kommen doch auch nachher mit zum Voglwirt?« Der
Präsident hatte ihm auf dem Weg zum Grab den Arm um die Schulter gelegt. »Ich
hätt Sie gern etwas gefragt.«
    »Absolut«, sagte Ottakring und nickte versonnen. Aus seiner Münchener
Zeit kannte er den Polizeipräsidenten von Oberbayern recht gut. Irgendwas war
da im Busch, das spürte er.
    Der Voglwirt. Ottakring war ein-, zweimal da gewesen. Wirklich wohl
gefühlt hatte er sich nicht. Die Neigung, Teil der Kulisse für die Prominenten
dieser Welt und ihr Gefolge sein zu wollen, fehlte ihm komplett. »Tor zu den
Alpen« hatte ganz groß vorn auf dem Prospekt gestanden. Ein First-Class-Hotel,
das lange in Rosenheim gefehlt hatte und erst im vergangenen Jahr am südlichen
Stadtrand eröffnet worden war. Eine Art Laufsteg der Schönen und Reichen, ein
Jahrmarkt der Eitelkeiten.
    Schon von fern hörte er Herrn Huber im Porsche bellen. Gemächlich
ging Ottakring auf den fünfundzwanzig Jahre alten orangefarbenen 911E zu. Der
Wagen hatte an die zweihunderttausend Kilometer auf dem Tacho, und jeden Monat
war irgendetwas defekt. Aber Ottakring hatte die Zeit, alles selbst zu
reparieren.
    Er warf sich hinters Steuer und fuhr los. Brrrrh, es roch streng
nach Hund. Er kurbelte das Fenster herunter. Herr Huber machte sich lang und
streckte ihm den Kopf hin. Zerstreut kraulte Ottakring ihm die Ohren.
    Was wollten die von ihm?
    »Gut, dass Sie da sind.« Ohne Zögern kam der Präsident auf
ihn zu. Den Arm ließ er diesmal unten. »Es ist wichtig. Kommen Sie.«
    »Wo kann ich meinen Hund für eine halbe Stunde unterbringen?«,
fragte Ottakring den jungen Mann an der Rezeption des Voglwirts, der wie ein
Flugbegleiter gekleidet war.
    »Da drüben ist die Hundebar«, säuselte der Angestellte. »Da ist auch
ein Haken, da können Sie ihn anbinden. Wir passen schon auf. Ach, ich mach das
schon für Sie. Komm her, was bist du für ein fesches Hündchen, richtig
entzückend.«
    Mit den Gesprächsfetzen in unterschiedlichen Sprachen und dem Duft
von Gebratenem wehte auch ein Flair von großer, weiter Welt durch die
Eingangshalle. Die Innenarchitekten hatten zwar einen dezent alpenländischen
Stil mit viel edlem Holz gewählt, doch das Haus war weit davon entfernt, etwa
zu jodeln. Alles war großzügig, hell und übersichtlich gestaltet. Üppig behängt
war nur ein Weihnachtsbaum, der so hoch war, dass er sich in einer Fabrikhalle
hätte ducken müssen. Ein riesiger Kronleuchter schwebte drohend genau über
Ottakring. Dachbalken, für die etliche Almhütten abgerissen worden waren,
wiesen zu weitläufigen Räumen mit verglasten Wänden und viel Grün. In der Ecke
der Empfangshalle fiel Ottakring ein Brunnen auf, in dem zwei Bronzedelphine
Wasser spien. In seiner Mitte thronte in Lebensgröße ein Neptun aus weißem
Alabaster mit einem Dreizack im Patinalook. Das sanfte Plätschern des Wassers
wurde vom Stimmengewirr unterdrückt.
    Ottakring wusste, dass das Hotel seit der Eröffnung im vergangenen
Sommer quasi ausgebucht war. Es schien, als hätte die Welt auf dieses neue Haus
im Rosenheimer Land nur gewartet. Die Voraussetzungen waren gut: Golfspieler in
der Hochsaison, Skifahrer im Winter, Urlauber und Kongressteilnehmer.
Erlebnishungrige fanden in Fun- und Freizeitparks ihr Vergnügen. Naturfreunde
freuten sich über spektakuläre Berge, Klammen und Höhlen. Kleine und große Schlösser,
Kirchen und Klöster warteten auf die Besichtigung. Die Möglichkeiten zum
Wandern und Radeln waren unbegrenzt, und zahlreiche Bäder versprachen Wellness
pur. Auch die VIP -Liste mit Politikern, Sängern,
Sportlern, Medien- und Filmstars war unübertroffen, wenn man von München einmal
absah.
    Ottakring strömte mit der Trauergemeinde auf das großzügige Areal,
das an den Garten grenzte und den Blick auf die Gebirgszüge des Wendelstein und
des Wilden Kaisers im Süden freigab. Die vergangenen Tage hatten ein
gigantisches weißes Tuch aus Schnee über die Berglandschaft

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