Rosentraeume
ein besonders verführerisches Kleid. Ich habe Pläne! J.«
Brianna schloß die Augen. Joan plante schon den nächsten Streich, noch ehe die Konsequenzen für ihre gestrigen Launen vorüber waren. Als sie einen Blick auf den Pagen warf, sah sie, daß er mit schuldbewußtem Blick zu ihrem Arbeitstisch hinübersah. Sie gab ihm einen Stoß und griff dann nach seinem Ohr. Sein Schmerzensschrei war herzerweichend.
»Du kleiner Satansbraten! Warum hast du meine Blätter ruiniert?«
Er plapperte ungereimtes Zeug und versuchte zu leugnen. Brianna wußte, daß sie auf diese Art nichts aus ihm herausbekäme. Das Leben eines königlichen Pagen drehte sich tagtäglich nur darum zu überleben. Um vier Uhr mußte er aufstehen, dann mußte er laufen, Botschaften überbringen, Dinge herbeiholen, bis seine kleinen Beine ihm den Dienst versagten. Als Lohn bekam er nichts als Püffe und Schläge. Mit zehn Jahren wurde er zum Knappen, und dann begann erst das richtige Elend.
Brianna ließ sein Ohr los und steckte ihm eine gezuckerte Mandel in den Mund. »Hat jemand dir befohlen, das zu tun?«
Das Kind nickte.
»Also darf ich nicht dich dafür verantwortlich machen, oder?« fragte sie freundlich.
Er schüttelte den Kopf.
»Wie heißt du?«
»Randal«, sagte er.
Der Name und auch die roten Locken kamen ihr irgendwie bekannt vor. »Bist du der Bruder von Elizabeth Grey?«
Er nickte traurig.
»Wenn noch einmal jemand anordnet, du sollst meine Arbeiten zerstören, wirst du es nicht mehr tun, ja?«
»Es war Prinzessin Isabel«, platzte er heraus und bestätigte damit Briannas Vermutungen.
Die Zeit verging wie im Fluge, und Lady Bedford wußte, daß sie sich ankleiden mußte. Sie steckte dem Jungen ein Brötchen in die Hand und schob ihn aus der Tür. Adele hatte ein maulwurfsgraues Samtkleid zurechtgelegt, doch Brianna schüttelte nur den Kopf und wählte statt dessen ein blaß lavendelfarbenes Unterkleid mit einer dunkelvioletten Tunika. Adele flocht die rechte Seite ihres Haares und Brianna die linke. Sie zog ihre Strümpfe an, befestigte sie mittels Spitzenstrumpfbändern und schlüpfte in ihre weichen Reitstiefel aus Sämischleder. Dann nahm sie ein paar violette Handschuhe, die mit goldenem Faden bestickt waren, trank ihren Becher Met aus, küßte Adele auf die Wange und lief atemlos über den Flur zu den Räumen von Joan von Kent.
Joans Kammerzofe, Glynis, war Waliserin, und ihr dunkles Haar und ihre dunkle Haut bildeten einen starken Kontrast zu Joans Teint. Sie war ein Quell an Informationen, wenn es um Hofgeflüster von Windsor ging, und ihr Aberglauben gab Anlaß zu allerhand Belustigung.
Brianna war nicht überrascht, als sie feststellte, daß Joan ihr Haar offen trug. »Du kannst doch so nicht auf die Jagd gehen.«
»Ich gehe auf die Jagd nach einem ganz anderen Wild«, sagte Joan und lachte, griff aber trotzdem nach einem Haarnetz aus silbernen Schlingen, und Brianna half ihr, ihre Locken darunter zu stecken. Alsbald hoben die beiden Mädchen ihre Röcke und liefen in Windeseile zu den State Apartments, die einen herrlichen Blick auf die Terrasse boten.
Prinzessin Isabels Schlafzimmer und Ankleidezimmer war übersät mit Kleidungsstücken, die sie anprobiert und dann verächtlich fallen gelassen hatte. Als sie einen Blick auf Briannas dunkelviolettes und Joans blaßrosa Gewand warf, kochte sie vor Neid. Ihre Zimmermädchen und Kammerzofen waren fast in Tränen aufgelöst. Eine hielt ein azurblaues Kleid hoch, während eine andere ihr ein elegantes schwarzes Stück aus Samt anbot. Isabel war die einzige der Plantagenets, die dunkles Haar hatte, ein Erbteil ihrer flämischen Mutter. Sie war eine sehr attraktive junge Frau, doch ihr mürrischer Mund zerstörte den ersten guten Eindruck.
Joan blinzelte Brianna zu. »Ihr werdet wunderhübsch aussehen in der azurblauen Seide, Euer Hoheit.«
Brianna überwand ihre Wut auf die junge Prinzessin. Sie stimmte Joan von ganzem Herzen zu. »Die Farbe ist so lebhaft, sie paßt wunderbar zu Eurem dunklen Haar, Euer Hoheit.«
Sofort entschied sich Isabel für das schwarze Samtkleid. Joan unterdrückte ein Lachen, die schwarze Farbe würde an ihr schrecklich aussehen. Mit einstudiert unschuldigem Blick meinte Joan: »Es ist wirklich eine Schande, daß der König Euch verbietet, weiter wegzureiten. Der Sonnenschein heute morgen lädt geradezu ein zu einem langen Galopp...«
Isabel trat zu Joan. »Was wollt Ihr damit sagen? Ich reite dahin, wo es mir gefällt.«
»Oh, ganz
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