Rosentraeume
Tagen, an denen ihr Leben unwiderruflich mit dem des Hauses Warrick verknüpft worden war. Die Damen von Windsor waren an diesem Nachmittag bei der Falkenjagd gewesen, und Brianna hatte sich aus der Gesellschaft Isabels davongestohlen mit schleifenden Zügeln, damit sie uneingeschränkt durch das von der Sonne beschienene Themsetal traben konnte.
Sie wußte, es war herzlos, sich so glücklich und frei zu fühlen, wo doch ihre Männer - schnell änderte sie das Wort >Männer< in das Wort Bräutigam - in den Krieg gezogen waren. Aber warum sollte sie sich deshalb schuldig fühlen? Der Krieg war die naturgegebene Tätigkeit eines Mannes. Sie verbrachten ihr gesamtes Leben damit, sich dafür auszubilden, und träumten nur von Schlachten, blutigen Schwertkämpfen und der Ritterschaft. Zum Ritter geschlagen werden war weitaus wichtiger als die Gründung einer Familie. Die meisten kümmerten sich mehr um ihre Schlachtrösser als um ihre Ehefrauen! Sie trugen ihre Narben wie Ehrenabzeichen und glaubten von sich selbst, aus Eisen zu sein: wenn es keine Kriege auszufechten gab, maßen sie ihre Kraft in Turnieren.
Während sie dahinritt, löste sich ihr Haar und wehte hinter ihr im Sommerwind. Es war so lang, daß es die Flanken ihrer Stute berührte, während sie diese zu wildem Galopp antrieb. War sie einmal verheiratet, würde sie ihr Haar bedecken müssen, nur in der Zurückgezogenheit ihres Schlafzimmers durfte sie es offen fallen lassen.
Ungewollt erstand plötzlich vor ihrem inneren Auge das leuchtende Bild von Christian, der ihre Locken bürstete. Sie schloß die Augen und schob das Bild ganz weit von sich. Als sie die Augen wieder öffnete, erkannte sie dunkle Wolken am Himmel, die sich zusammenzogen; damit kündigte sich ein nächtliches Sommergewitter an.
Nacht.
Sic versuchte, nicht an die Nacht zu denken.
Ihre Tage waren angefüllt mit Aktivitäten, ihre Abende mit ihren Zeichnungen und Manuskripten, durch ihre Nächte gaukelten erotische Träume, die niemals von ihrem zukünftigen Ehemann handelten. Das Schuldgefühl trieb eine heiße Röte in ihr Gesicht, beim Gedanken an Christian tat ihr das Herz weh. Zögernd wendete sie ihr Pferd und ritt zurück zu den Ställen.
Als sie dort ankam, entdeckte sie die Stute von Prinzessin Isabel, also mußte die Jagdgesellschaft schon vor ihr zurückgekehrt sein. Sie nahm ihren Merlin, trug ihn die Stufen hinauf zu seinem Käfig und übergab ihn dort dem Falkner. Einen Augenblick zögerte sie, doch dann machte sie sich auf die Suche nach Salome. Es dauerte nicht lange, bis sie den herrlichen Gerfalken entdeckt hatte. Leise sprach sie mit ihm, bewunderte das glänzende Gefieder und die kräftigen Schwingen. Der Raubvogel rüttelte bei Briannas Murmeln seine Federn. »Vermißt du ihn genauso wie ich?« Ihre Worte waren nicht lauter als ein Seufzer.
Sie streckte die Hand aus, um den Vogel zu streicheln. Blitzschnell hob er die Krallen und griff nach ihrem Finger. Erschrocken schrie sie auf. Doch erstaunlicherweise hackte der Vogel nicht zu, sondern hielt sie mit all seiner Kraft fest, ließ sie eine volle Minute lang nicht mehr los. Sie wußte, er hätte ihr die Haut in Fetzen reißen können, und niemand anders wäre daran schuld gewesen als sie selbst. Ganz deutlich erkannte sie die Ähnlichkeit der Gefahr zwischen Hawksblood und dem Falken.
Sie blieb an dem neuen Runden Turm stehen, der aus den wunderschönen Steinen ihres Bedfords errichtet worden war. Mit der Hand fuhr sie über die rauhe Oberfläche und ließ sich trösten von dem dauerhaften Material, freute sich über die sanften Schattierungen. »Ich werde zurückkommen«, flüsterte sie, »und daheim meine Kinder gebären. Wir werden eine sichere und glückliche Familie sein.« Es kam ihr gar nicht dumm vor, mit Steinen zu reden. Ihre Träume, Hoffnungen und Wünsche einem Element der Erde mitzuteilen, schien ihr absolut natürlich.
Ein Blitz zuckte am Himmel und schlug in den Turm. Er überraschte Brianna, doch sie verspürte keine Angst. Es war ein Zeichen. Ein gutes oder böses? Darauf gab es keine Antwort. Von woher kam dieser Fingerzeig? Gott? Teufel? Mutter? Drakkar? Große Regentropfen dämpften ihre Phantasien. Sie lief zu ihren Gemächern, um Schutz vor dem Gewitter zu suchen, doch es gab keinen Ort, an dem sie Zuflucht suchen konnte vor ihren Gedanken oder dieser eigenartigen Stimmung.
Adele hatte die Gemächer bereits verlassen und war auf ihrem Weg in die große Halle. Brianna wußte, daß sie
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