Rosentraeume
fand Brianna bewußtlos vor, sie lag auf dem grauen Samtumhang, wie schon einmal zuvor. Als die Gute sie schüttelte, wachte Brianna auf und strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. Sie war totenblaß, sogar aus ihren Lippen war das Blut gewichen.
»Was ist geschehen, mein Lämmchen? Bist du krank?« Adele war äußerst beunruhigt.
»Nein, nein... ein Alptraum, glaube ich«, flüsterte Brianna.
Adele sah ihre Augen weit aufgerissen vor Entsetzen, und sie glaubte, daß Brianna etwas vor ihr verbarg. »Gütige Mutter Gottes, du bist doch nicht etwa schwanger?«
»Nein«, erklärte Brianna mit fester Stimme, doch der Gedanke allein ließ sie zittern.
Adele bekreuzigte sich und dankte der Heiligen Mutter. »Ich werde jetzt Glynis holen. Es ist ungewöhnlich für eine gesunde junge Frau, ohnmächtig zu werden. Vielleicht kann sie dir einen Kräutertrank mischen, der dich ein wenig stärkt.«
Auch wenn es schon spät war, kamen Glynis mit ihrer Kräutertruhe und auch Joan in Briannas Zimmer, ihre Gesichter voller Besorgnis.
Brianna lachte zittrig. »Es war wirklich nur ein Alptraum, aber so konkret, daß er mich furchtbar geängstigt hat.«
Glynis holte ein Fläschen destillierter Maiglöckchen aus ihrer Truhe. »Mische ihn mit etwas Wein«, bat sie Adele. »Die Atmosphäre hier ist eigenartig heute abend. In der Luft drängen sich beunruhigende Kräfte. Gewitter sind oft Vorboten von Dingen, die geschehen werden.«
»Aye, ich habe auch Angst in solchen Nächten«, gab Adele zu. »Ich dachte, es wäre vorbei, doch hört man noch immer den Donner in der Ferne.«
»Was für Dinge?« wandte Joan sich fasziniert an Glynis.
»Gute oder schlechte, manchmal auch beides. Ein Gewitter vor einer großen Schlacht kann deren Ausgang ändern. Atmosphärische Störungen haben schon den Lauf der Geschichte verändert!«
Joan hatte das Bedürfnis, dem Ganzen eine unverfängliche Wendung zu geben. Sie wollte nicht an Schlachten denken, wo doch ihr geliebter Prinz soeben an einem Krieg teilnahm. »Wenn die eine Seite gewinnt, dann verliert die andere. Das hat wohl nichts mit Gewittern zu tun!«
Joan beschwerte sich kaum einmal mit ernsthaften Gedanken, und Adele wünschte sich in diesem Augenblick, Brianna wäre so wie sie, denn Glynis’ Worte beunruhigten ihre Schutzbefohlene.
»Auch Träume können ein Spiegel der Zukunft sein, ganz besonders ein Traum während eines Unwetters.«
Brianna erschauerte. »Himmel, das hoffe ich nicht. Doch bei mir war es eher eine Heimsuchung!«
»Träume sind nicht wörtlich zu nehmen, meine Lady. Sie symbolisieren einen Tatbestand. Man muß sie deuten. Sagt mir, was Ihr geträumt habt, dann werde ich Euch beweisen, daß die Bedeutung abweicht von dem, was Ihr befürchtet«, drängte Glynis.
»Ich ... ich kann es nicht erzählen. Es war ziemlich schlimm, nein, sogar böse«, gab Brianna zu und nippte an dem Wein, den Glynis verordnet hatte.
»Oh, erzähl es uns!« bat Joan.
Glynis fügte hinzu: »Indem Ihr es uns erzählt, werdet Ihr den Traum aus Euren Gedanken löschen. Dadurch reinigt, ja läutert Ihr Euch.«
Brianna wünschte, sie könne sich vom Erleben befreien, doch sie sollte lieber zur Beichte gehen, um die Absolution zu bekommen. Aber dann wurde ihr plötzlich klar, daß dieses Thema viel zu intim war für den Beichtstuhl. Sie blickte in die Gesichter ihrer kleinen Gesellschaft. Dies waren ihre einzigen Freunde auf der Welt, die einzigen Menschen, denen etwas an ihr lag. Sie wußte, was auch immer sie ihnen anvertraute, sie würden es nicht weitertragen. Dennoch brachte sie es nicht über sich, ihnen zu verraten, daß sie absichtlich die Kraft des grauen Samtumhanges ihrer Mutter benutzt hatte, um mit ihrem Geliebten in Verbindung zu treten. Doch unwillkürlich löste die Maiglöckchenessenz ihre Zunge. »Ich... ich war in einem Turmzimmer, erbaut aus Steinen von Bedfordshire. Robert hielt sich bei mir auf.« Sie wurde über und über rot. »Er küßte mich... und ich erwiderte seine Küsse.« Um Zeit zu gewinnen für die richtigen Worte, trank sie den ganzen Wein aus. »Sein Halbbruder Christian Hawksblood hat ihm den Türkensäbel in den Leib gestoßen und ihn umgebracht.« Brianna hörte, wie Adele scharf Luft holte.
»Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Ich war glücklich, als es geschah. Sein Blut auf meinen Schenkeln hat mich gefreut!« Joans Augen waren weit aufgerissen, sie biß sich auf die Unterlippe, während sie Briannas Worten lauschte.
Glynis fragte:
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