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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Gefühl hatte, immer weniger Nahrung zu brauchen. Die Mahlzeiten, die sie stets allein verzehrte, abends hin und wieder vor dem Fernsehgerät, wenn ein Konzert oder eine Oper, manchmal auch ein interessanter Dokumentarfilm übertragen wurden, waren auch nicht dazu angetan, ihren Appetit zu steigern.
    Als sie noch berufstätig war, hatte sie mittags meist einen Imbiss mit den Kolleginnen eingenommen, hin und wieder trafen sie sich auch abends zum Essen in einem Restaurant, aber seit ihrer Pensionierung war das höchstens noch zwei, drei Mal vorgekommen. Selbst in einer Kleinstadt wie Eutin konnte man sich aus den Augen verlieren.
    Wie jeden Abend gab es auch heute zwei Schnitten Graubrot. Vollkornbrot vertrug Brigitte nicht, da begannen ihre Innereien zu revoltieren. Auf einem der Brote Wurst, auf dem anderen Käse, dazu eine aufgeschnittene Tomate mit Salz und Pfeffer. Sie trug das Tablett mit ihrem Abendessen und dem Napf für Alma hinaus auf die Terrasse. In ihrem ganzen Leben hatte Brigitte nur höchst selten einmal richtig gekocht. Es war nie ihre Leidenschaft gewesen, am Herd zu stehen, und es fehlte ihr wohl auch ein Gefühl dafür. Umso anstrengender fand sie es, jetzt, wo sie nur noch zu Hause war, jeden Mittag für sich sorgen zu müssen. Aber zum Glück hatte sie die Segnungen der Mikrowelle für ihren Einpersonenhaushalt entdeckt und immer einen Vorrat Fertiggerichte im Tiefkühler.

     
    Was für ein wunderbarer Maienabend! Die Sonne verschwand hinter dem Hügel am anderen Ufer, aber es war trotzdem noch angenehm mild. Brigitte hatte ihr Mahl beendet und schenkte sich eine dritte Tasse Kräutertee ein. Die Amsel, die wie jedes Jahr in der Hecke zum Seeweg nistete, begann in den höchsten Tönen zu singen, doch das bekannte Gefühl von Abendfrieden wollte sich heute nicht über den Garten und Brigittes Gemüt legen. Eine leise Erregung hatte sich ihrer bemächtigt. Gleich war der Zeitpunkt gekommen.
    Als sie das Tablett hineingebracht hatte, verließ sie das Haus durch die Vordertür, schlenderte zum Gartentor und warf vorsichtige Blicke auf die Straße, die links von ihr vor dem Nachbargrundstück in einem Wendekreis endete. Die Straße war leer. Im Haus direkt gegenüber waren sämtliche Fensterläden geschlossen, die Bewohner waren verreist und die junge Familie daneben grillte im Garten hinter dem Haus, wie Brigitte laut herüberschallender Musik und einer würzig duftenden Rauchwolke entnahm, die rechts neben dem Dach aufstieg. Ihr direkter Nachbar auf der rechten Seite, der alte Herr Wahm, ging um die Zeit meist schon schlafen und selbst wenn nicht – er war fast blind.
    Sie atmete tief durch und ging dann entschlossenen Schrittes zum Geräteschuppen. Alma, die ihr auf Schritt und Tritt folgte, sah sie gespannt an.
    »Ganz ruhig! Braver Hund«, sagte Brigitte zu dem Tier und meinte sich selbst, als sie mit der Schubkarre in Richtung Zaun ging. Das Nachbargrundstück war das letzte am Seeufer gelegene, danach begann ein kleines Wäldchen. Der Hund spitzte die Ohren und schien die Pfoten noch leiser als gewöhnlich aufzusetzen. Irgendwann bei der Gartenarbeit hatte Brigitte entdeckt, dass der Zaun schadhaft war und sich an einer Stelle problemlos öffnen ließ. Da auf ihrer Seite einige Büsche direkt davor standen, das Haus nebenan ohnehin unbewohnt war und sie die Reparatur wahrscheinlich hätte bezahlen müssen, sah sie davon ab. Außerdem schätzte sie die Himbeeren und Kirschen, die dort drüben wuchsen. Obwohl der Garten zum Seeweg hin durch eine hohe Hecke vor fremden Blicken geschützt wurde, lief sie sicherheitshalber noch einmal zu der kleinen Pforte und spähte den Spazierweg hinauf und hinunter. Keine Menschenseele.
    Schnell zurück zur Schubkarre und ohne noch weiter darüber nachzudenken, hinüber zu dem duftenden Objekt ihrer Begierde.
    In der Dämmerung wurde das traumhafte Parfum jetzt noch intensiver. Doch das war nicht der Augenblick, sich dem Duftrausch und den Erinnerungen, die er auslöste, hinzugeben. Mit einer resoluten Bewegung zog sie die Arbeitshandschuhe an, band die über und über mit Knospen und bereits erblühten Rosen bestückten Zweige vorsichtig zusammen und legte die Folie herum, um nichts zu beschädigen. Natürlich hätte Brigitte sich die Pflanze auch kaufen können. In irgendeiner auf Rosen spezialisierten Gärtnerei wäre sie bestimmt fündig geworden, unbezahlbar war die Sorte auch nicht. Aber sie wollte gerade dieses Exemplar, das inzwischen bestimmt

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