Rosenwahn
nicht schlecht. Bestimmt schön ruhig in der Ecke.«
»Mir wär das zu weit ab vom Schuss«, widersprach Jansen. Sie grüßten kurz die beiden uniformierten Beamten, die ins Gespräch vertieft im Vorgarten standen, nur kurz hochblickten und sie ums Haus nach hinten schickten. Durch wuchernde Hecken und unter tief herabhängenden Zweigen bahnten sie sich den Weg auf den rückwärtigen Teil des Grundstückes. Hier wurde Angermüller die bevorzugte Lage erst richtig klar. Nur ein schmaler Streifen Land, auf dem ein Spazierweg lief, trennte es vom Ufer eines Sees.
»Was sagst du jetzt? Ist das nicht traumhaft hier!«
»Mmh«, machte Jansen nur gleichgültig und lenkte seine Schritte zu den Kollegen von der Kriminaltechnik. Alle waren sie in ihre weißen Schutzanzüge verpackt, worum Angermüller sie angesichts der sommerlichen Temperaturen nicht beneidete. Zwischen zwei Plastikwannen hockte Ameise nicht weit von der Hauswand unter einem Rosenbusch und grub behutsam mit einer kleinen Kelle durch den Boden. Ihm gegenüber tat sein Kollege Friedemann das Gleiche. Der dritte im Bunde war ein junger Mann, den Angermüller noch nicht kannte, der vorsichtig das von den beiden anderen ausgehobene Erdreich durch ein großes Sieb schaufelte.
»Moin, moin! Seid ihr schön am Buddeln?«, grüßte Jansen die Truppe.
»Ihr Klugschnacker habt mir noch gefehlt«, knurrte Ameise, der eigentlich Andreas Meise hieß, ohne hochzusehen. »Komm mir hier vor wie Indiana Jones.«
Mit einer ganz besonderen Zartheit, über die Angermüller sich immer wieder wunderte, säuberte Ameise mit einem Pinsel die freigelegten Knochen vor sich, nahm die Kelle wieder auf und schob langsam und vorsichtig den Erdboden unterhalb der schon freigelegten Teile beiseite.
»Schlecht drauf heute? Am Boden rumkrabbeln ist doch deine Spezialität!«, meinte Jansen munter, doch Ameise stellte sich taub.
»Morgen, Kollegen. Bald könnt ihr unseren Kandidaten in seiner ganzen Schönheit bewundern«, mischte sich Friedemann ein, der kurz vor dem Pensionsalter und im Gegensatz zu Andreas Meise ein ganz umgänglicher Typ war.
»Grüß euch«, antwortete Angermüller und sah zu dem jungen Mann. »Habt ihr Verstärkung mitgebracht?«
»Richtig, das ist der Dario Striese, macht die Ausbildung an der Fachhochschule in Kiel. Der darf jetzt mal eine Zeit lang bei uns reinschnuppern. Angermüller und Jansen, das Dreamteam vom K1«, stellte Friedemann sie einander vor. Der Praktikant, der vor Eifer oder vor Hitze ganz rote Ohren hatte, hob nur kurz eine Hand und vertiefte sich dann wieder ins Durchsieben der Erdhaufen.
Vom Schädel fast bis zum Becken hatten die Männer das Skelett bereits freigelegt.
»Was ist mit dem einen Arm passiert?«, fragte Angermüller, während er aufmerksam das knöcherne Gerüst betrachtete und den Anblick, wie immer, ein wenig schaurig fand. Das hier war kein künstliches Skelett aus dem Biologieunterricht, das war das, was von einem Menschen übrig geblieben war.
»Da«, machte Ameise nur und zeigte auf die eine der Plastikwannen, in der ein paar gesäuberte Knochen lagen. »Die hat das Hundchen schon ausgegraben.«
»Welches Hundchen?«
»Das von der Nachbarin, die bei den Kollegen in Eutin den Fund gemeldet hat.«
»Ah so. Kommt jemand von der Rechtsmedizin dazu?«, wollte Angermüller wissen.
»Das ist noch nicht so klar. Da ja dein spezieller Freund im Urlaub ist, haben die einen kleinen Engpass zurzeit. Die hübsche Neue, die den Schmidt-Elm vertreten soll, hat uns schon dreimal über Handy angerufen und auf später vertröstet. So ein verrücktes Huhn wie die hab ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt.« Ameise schüttelte seinen Kopf. »Sach ma«, fragte er dann mit anzüglichem Grinsen, »stimmt das wirklich, dass der Schmidt-Elm mit seinem Angetrauten eine Hochzeitsreise macht?«
»Warum eigentlich immer dieser bescheuerte Unterton, Andreas? Bist du nur so ein verklemmter Spießer oder bist du auch schwul und traust dich nur nicht? Uns kannst du es doch ruhig sagen, Kleiner, wir haben damit kein Problem.«
Angermüller war ein eher gutmütiger Mensch, doch irgendwann langte es auch ihm. Der etwas zu kurz geratene Kollege ließ wirklich keine Gelegenheit für einen blöden Kommentar ungenutzt vorübergehen. Friedemann grinste schadenfroh, und der Praktikant hielt einen Moment irritiert mit seiner Tätigkeit inne und sah zu ihnen herüber. Ameise blieb die Antwort schuldig und grub unbeirrt weiter unter dem
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