Rosenwahn
wohl so sein«, nickte die Frau zustimmend. Mit einem strahlenden Lächeln streckte sie Georg plötzlich ihre rechte Hand entgegen.
»Ich bin Derya Derin. Ich wohne wie gesagt gleich in dem Haus da drüben. Wenn Sie irgendwas brauchen, klingeln Sie doch einfach bei mir.«
»Georg Angermüller. Sehr erfreut.«
Sie schüttelten sich die Hand, standen sich dann einen Augenblick stumm gegenüber und musterten sich gegenseitig. Schien eine nette Person zu sein, die Nachbarin. Mit einem Mal fiel Georg ein, dass er ja immer noch in T-Shirt und Unterhose war.
»Äh, entschuldigen Sie, ich müsste mich dann mal fertig machen. Die Pflicht ruft.«
»Ach so, ja natürlich! Ich will Sie nicht aufhalten.«
Derya Derin machte nicht den Eindruck, dass ihr an der Situation, einem fremden Mann in Unterwäsche gegenüberzustehen, irgendetwas peinlich war.
»Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Tag und auf gute Nachbarschaft! Und wie gesagt, wenn Sie was brauchen …«
»Ja, vielen Dank! Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag. Sie finden allein raus?«
»Aber sicher. Na denn man tschüss, Herr Nachbar, und bis bald!«
Sie gab ihm noch einmal die Hand.
»Bis bald. Tschüss!«
Georg war gerade auf dem Weg ins Bad, da klingelte es an der Haustür. Er war etwas erstaunt, als er nach dem Öffnen schon wieder die Nachbarin erblickte, die ihm ihren Schlüssel vors Gesicht hielt.
»Ich hab zwar einen Schlüssel und behalte den auch, für alle Fälle, wer weiß, wozu es gut ist, aber jetzt sind Sie der Hausherr und da klingele ich natürlich.«
Angermüller nickte nur und wartete ab, was sie sonst noch wollte. Aber die Nachbarin schaute ihn nur freundlich an.
»Ist noch irgendwas?«
»Ach Entschuldigung, ich bin aber auch …«, sie schlug sich gegen die Stirn. »Ich wollte nur noch wissen, ob Sie sich jetzt um die Blumen kümmern?«
»Aber das ist doch selbstverständlich. Ich bin ja schließlich hier, um in Haus und Garten nach dem Rechten zu sehen«, antwortete Angermüller, nun ein wenig ungeduldig. Er wollte wirklich endlich ins Bad, eine Dusche nehmen und sich anziehen.
»Na gut. Aber nicht vergessen! Herr Schmidt-Elm ist nämlich mit seinen Pflanzen ziemlich pütscherig und da braucht jede eine andere Pflege. Hat er Ihnen auch alles genau aufgeschrieben? Wenn nicht, könnte ich Ihnen ja meine Liste geben.«
»Danke. Ich weiß Bescheid, Frau …«
Ihren Namen hatte er nicht behalten.
»Derin, das ist türkisch. Derya Derin von Deryas Köstlichkeiten«, kam sie ihm zu Hilfe.
»Gut, Frau Derin. Aber jetzt wird es wirklich Zeit für mich.«
»Aber natürlich! Ich rede und rede und Sie müssen los. Also, nichts für ungut. Einen schönen Tag noch mal und ich hoffe, wir sehen uns bald!«
»Das hoffe ich auch. Tschüss, Frau Derin.«
Er war sich nicht sicher, ob er das wirklich hoffte. Die Frau war schon irgendwie sympathisch, aber ihre Gesprächigkeit fand er, zumindest gleich nach dem Aufstehen, ziemlich anstrengend.
Ein paar Stunden später stieg Georg Angermüller gut gelaunt aus dem Dienstwagen. Sein Morgen war nach Derya Derins Abschied völlig geruhsam verlaufen. Entgegen sonstiger Gewohnheit hatte er statt Tee einen aromatischen Milchkaffee aus der luxuriösen, italienischen Kaffeemaschine genossen, sich dazu ein knuspriges Croissant gegönnt und die Zeitung gelesen. Ein wenig hatte er sich gefühlt wie im Urlaub – frei und unabhängig. Und nun schien auch noch die Sonne.
»Was für ein wunderschöner Tag heute!«
»Wat is mit dir denn los?«
Claus Jansen klang muffig, doch der Kriminalhauptkommissar ließ sich davon nicht irritieren.
»Hör doch mal, wie die Vögel zwitschern und schau dir diese verschwenderische Natur an. Ach ja, Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte … Du musst mal so richtig tief durchschnaufen, Claus! So riecht das nur im Mai!«
Jansen hatte lediglich ein Kopfschütteln für Angermüllers poesievolle Begeisterung und fragte missmutig: »Wat sollen wir eigentlich hier? Können die Eutiner dat nich allein?«
»Die Kollegen waren der Meinung, dass es wahrscheinlich ist, dass hier Fremdverschulden vorliegt. Deshalb haben Sie uns angefordert.«
»Na ja.«
Niemand konnte diesen beiden Silben einen so skeptischen Klang geben wie Kriminalkommissar Jansen.
Ein Streifenwagen und der Wagen der Kriminaltechnik parkten vor dem Haus, das als letztes in der kleinen Straße stand, die in einem Wendekreis vor einem Wäldchen endete.
»Hier wohnt man ja
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