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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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gestern getankt«, sagte Vogel nur. »Die Preise waren normal.«
    Gerd Fleischhacker machte wie immer nur eine vage Geste. Der Glatzkopf mit dem Schnurrbart und der Vorliebe für dunkelblaue Zweireiher mit goldenen Knöpfen kündigte seine Geschichten nie an. Er war für Wirtschaftskriminalität zuständig und kannte alle wichtigen Handelsrichter, Staatsanwälte, Verteidiger und Detektive. Er galt als brutaler Rechercheur, Marke »Fuß in die Tür und Blitz ins Gesicht«. Er brauchte in einem Vorstandsbüro bloß seinen Namen zu sagen, schon lief dort das Programm für Krisen-PR an.
    Gegen Ende der Sitzung brachte Albin seinen Vorschlag. Vogel horchte auf. »Franks Coffee-Corners? Stimmt das auch?«
    »Sieht so aus.«
    »Recherchiere das lieber genau.«
    Albin nickte. Er bemerkte den teils neidvollen, teils anerkennenden Blick Daniels. Sie wurden wegen ihres gleichen Alters stets aneinander gemessen, was sie gleichermaßen trennte und verband. Wenn es um Urlaubsbestimmungen für Pauschalisten oder ihre Diskriminierung bei der Geschichtenauswahl ging, zogen sie am gleichen Strang. In den Redaktionssitzungen, wo das bessere Thema stach, waren sie Konkurrenten.
    Allmählich bewegte sich das Gespräch wieder von Albin weg. Er blätterte im Chronikteil des Tagesanzeigers. Auf Seite zwanzig stieß er auf einen Zweispalter mit dem Titel »Toter in Carnuntum«. Wie die Leiche gefunden worden war, stand nicht dort. Ein Chefinspektor der Sicherheitsdirektion Wien namens Damian Bergmann wurde zitiert: Es werde geprüft, ob es sich um Selbstmord oder ein Gewaltverbrechen handle.
    Bergmann war auch abgebildet. Er sah massig und forsch aus. Der Blitz der Kamera spiegelte sich auf seiner hohen Stirn. Albin verstand nicht, weshalb sich bei einem niederösterreichischen Fall ein Wiener Beamter zu Wort meldete. Sonst wurde immer von der Kripo jenes Bundeslandes ermittelt, in dem ein Verbrechen stattgefunden hatte.
    »Daniel kann dir helfen«, sagte Vogel in diesem Moment.
    »Was?« Albin fühlte sich einen Augenblick zu spät angesprochen. »Klar«, fügte er rasch hinzu. »Gerne.«
    Vogel brummte etwas über mangelnde Aufmerksamkeit und riss sich ein Haar aus der Nase. Die Sitzung war zu Ende.
    Albin nahm die Zeitung mit zu seinem Schreibtisch und las nun auch die anderen Chronik-Teile durch. Die Artikel ähnelten einander. Chefinspektor Damian Bergmann kam in allen vor. Offenbar hatte eine Presseagentur mit ihm gesprochen und die Blätter hatten alle von ihr abgeschrieben.
    Daniel gesellte sich zu ihm. »Kommst du mit zum Essen?«
    Albin mochte seinen Zimmerkollegen. Der nahm das Leben nicht besonders ernst, aber man konnte sich auf ihn verlassen. »Wo isst man hier?«, fragte er.
    »Wir suchen etwas.«
    »Vielleicht komme ich nach.«
    »Ich habe mein Handy mit.« Daniel klopfte auf die Tasche seines ausgeleierten Baumwollsakkos.
    »In Sachen Franks Coffee-Corners fangen wir erst morgen an«, sagte Albin. »Sonst werden die nervös und geben selbst eine Meldung heraus.«
    Daniel grinste. »Bis dahin machen wir Termine.« Er legte als Zeichen für Schlafen die gefalteten Hände an die Wange.
    Der Chronik-Chef Richard May saß in einem leichten Anzug aus grauer Wolle in seinem Büro im fünfzehnten Stock und telefonierte. Ehe Albin offiziell in Sachen Heidentor recherchierte, wollte er mit May sprechen. Der bedeutete ihm vorerst, draußen zu warten.
    Der Chronik-Chef hatte eine dichte schwarze Schnittlauchfrisur, in die sich rund zwei Dutzend dicke weiße Haare mengten. Er liebte blaue Hemden mit weißen Kragen und goldene Manschettenknöpfe. Als Albin schließlich eintrat, verschränkte er die Hände hinter dem Kopf. »Kollege Albin …! Was steht an?«
    Albin wusste keine klare Antwort. Ihm dämmerte, dass ihm das gleich zum Verhängnis werden würde. May fackelte nicht gerne lange. Entweder man konnte eine Sache auf den Punkt bringen, oder man kam besser ein anderes Mal wieder. Albin legte die mitgebrachten Wiener Nachrichten auf den Tisch und zeigte auf den Artikel auf Seite zwanzig. »Ich war dort«, sagte er.
    May überflog Überschrift und Untertitel und sah Albin verdutzt an.
    »Ich war als Erster dort und habe die Polizei verständigt«, ergänzte Albin eilig. »Ich habe den Toten gefunden.«
    »Deshalb sollen wir jetzt etwas darüber bringen?« May war indigniert. »Vielleicht mit einem Bild von dir: Unser Mann in Carnuntum?«
    »Mir kommt einiges merkwürdig vor.«
    »Wer ist der Tote?«, fragte May mit halbem Interesse.

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