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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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nehmen, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. »Albin Fischer?«
    Ein winselnder Pekinese wurde mit einem kurzen »Bist du …« zurechtgewiesen.
    Der Chefinspektor konnte den Ort nicht bloß wegen seiner Unauffälligkeit gewählt haben, dachte Albin. Bergmann passte ausgezeichnet hierher. Mit seinem runden Gesicht und dem gelblich grauen Haar sah er viel unscheinbarer aus als auf dem Bild in der Zeitung.
    Er war kleiner als Albin und hatte einen weichen Zug um den Mund. »Nett hier, nicht wahr?«, sagte Bergmann. »Leider wird bald umgebaut. Dann kommen Panoramafenster und ein Aufzug. Mal sehen.«
    Als der Polizist Albins Hand schüttelte, legte er den Kopf in den Nacken, wie einer, der trotz fortgeschrittener Weitsichtigkeit keine Brille tragen will.
    »Woran haben Sie mich erkannt?«, fragte Albin.
    »Ich bin seit zwanzig Jahren im Geschäft«, antwortete der Chefinspektor. »Wenn ich jemanden schnappen will, schnappe ich ihn auch.« Der weiche Zug verwandelte sich dabei in einen ironischen. Dort, dachte Albin, saß wohl gegebenenfalls auch der Zynismus.
    Sie setzten sich an einen mit weißem Damast gedeckten Tisch in der hintersten Ecke des Cafés. »Albin Fischer also«, sagte Bergmann. »Oder doch eher Albert Walterskirchen?“ Albin erstarrte. Der Hauch von Sympathie, den er zum ersten Mal in seinem Leben für einen Behördenvertreter empfunden hatte, verflog. In der Vergangenheit anderer zu schnüffeln gehörte zur Aufgabe eines Polizisten und er hatte damit gerechnet. Trotzdem empfand er es als Unverschämtheit.
    »Kein Grund, böse zu sein«, setzte Bergmann jetzt mit maliziösem Lächeln nach. »Sehen Sie nicht auch im Firmenbuch nach, ehe Sie sich mit einem Unternehmer treffen?«
    Albin hatte seinen ersten offiziellen Namen vom Büro des Bürgermeisters auf Vorschlag des Jugendamtes bekommen. So war es bei Findelkindern üblich. So ein Kunstname hatte meist mit den Umständen oder dem Ort des Auffindens zu tun. Auf Albins zerlumptem Leibchen war ein angelnder Frosch abgebildet gewesen und die Jugendbeamten hatten keinen besonders kreativen Tag gehabt. Also Fischer. Aus Albin war Albert geworden. Seine gescheiterten Adoptiveltern hatten ihm später ihren eigenen Namen verpasst: Walterskirchen. Am Ende seiner verworrenen frühen Jahre hatte er seinen Namen von seinen ersten Journalisten-Honoraren zurück auf Fischer, Albin Fischer, ändern lassen.
    »Nehmen Sie Tee oder Kaffee?«, fragte Bergmann.
    Der Ober stand neben ihnen.
    Albin musste sich erst von seinem Schreck erholen. Er fragte sich, wie viel der Polizist noch über ihn wusste. Wenn er seine Hausaufgaben gemacht hatte, wusste er alles.
    »Ich nehme Kräutertee«, sagte der Chefinspektor mehr zu Albin als zu dem Ober.
    Albin bestellte einen Espresso und ein Glas Wasser.
    »Ich trinke immer Kräutertee«, sagte Bergmann.
    Der Ober lächelte wissend. Offenbar war der Chefinspektor wirklich Stammgast im Domcafé. Vielleicht gab es ja auch in seinem Leben dunkle Geheimnisse. Gut möglich, dachte Albin, dass Bergmann selbst einen Pekinesen daheim hatte.
    »Wie lässt man sich eigentlich umtaufen?«, fragte der Polizist.
    »Sie gehen zur Magistratsabteilung 62, dem Amt für Personenstandsangelegenheiten. Dort füllen Sie ein Formular aus und bezahlen rund fünfhundert Euro für einen neuen Vor- und den gleichen Betrag für einen neuen Nachnamen.«
    »Sauteuer.«
    »Bei schwierigen Namen ist es gratis.«
    »Wie muss man heißen? Adolf Hitler? Karl Arschloch? Oder Franz Wrabetz?« Bergmann lachte. Franz Wrabetz war der Name eines Bundespolitikers, den der Chefinspektor offenbar nicht mochte.
    »Reden wir über das Heidentor«, sagte Albin.
    Bergmanns Lachen erstarb augenblicklich, als wäre es nur gespielt gewesen. »Sie wissen, dass ich Ihnen nichts erzählen darf. Ich würde gegen meine Dienstvorschriften verstoßen. In meinem Alter ist das heikel. Man fängt nicht mehr gerne etwas Neues an.«
    Albin betrachtete solche Aussagen als Formalität. Auch Unternehmer schickten gerne voraus, sie hätten keine Befugnis zu reden. Andererseits war Reden der Sinn jedes Treffens. Die These von Albins erfahrenem Kollegen Fleischhacker lautete: Es gibt niemanden, der nicht im Grunde seines Herzens in der Zeitung stehen möchte. Egal wie.
    »Ich werde Sie nicht zitieren und nichts verwenden, was auf ein Gespräch zwischen uns schließen lässt«, sagte Albin. »Außerdem sehen Sie aus wie jemand, der schon oft gegen Dienstvorschriften verstoßen hat,

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