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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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funktioniert nicht. Ich gehe in den Schlafraum. Auch kein Licht. Eine Stimme von der Tür. ›Ich habe eine Waffe‹, sagt ein Mann. ›Bleiben Sie, wo Sie sind, rühren Sie sich nicht und schweigen Sie.‹ Er muss im Bad gewesen sein. Meine Augen gewöhnen sich nicht an die Finsternis. Da liegt auf einmal ein grüner Schimmer im Raum. Das Display eines eingeschalteten Handys. Es wird mir ans Ohr gepresst. ›Ich habe den Auftrag, Sie zu töten‹, sagt eine neue Stimme. Es ist eine sympathische, ruhige Frauenstimme. Ich muss lachen. ›Lassen Sie mich in Ruhe‹, sage ich. ›Wer kann sich schon vorstellen, von einem Auftragsmörder umgebracht zu werden‹, sagt die Stimme. ›Unsere Opfer stehen nicht in den Mordstatistiken. Sie stehen in der Liste verschwundener Personen.‹ Ich lache wieder. ›Lassen Sie mich in Ruhe.‹ Wohl ein Scherz witziger Kollegen. Wer bringt schon einen Werbetexter um? ›Mein Auftraggeber schlägt Ihnen ein Geschäft vor‹, sagt die Stimme. ›Sie haben die Wahl.‹ ›Blödsinn‹, sage ich, ›verdammter Blödsinn. Wer soll Ihr Auftraggeber sein?‹ ›Sie sollen die Unterlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort bringen‹, sagt die Stimme. ›Der Mann hinter Ihnen wird Ihnen einen Zettel mit den Daten geben. Sind Sie einverstanden? Wenn Sie passen, ist mir das recht. Dann komme ich zu meinem Kerngeschäft. Ich töte Sie und verdiene mehr.‹ ›Unterlagen‹, sage ich. ›Was für Unterlagen? Ich weiß nichts von irgendwelchen Unterlagen.‹  Ich habe wirklich keine Ahnung. ›Sie wissen es‹, sagt die Frauenstimme. ›So eine Scheiße‹, denke ich. Wenn das ein Witz ist, ist es ein verdammter Scheiß-Witz. Wieder die Frauenstimme: »Sind Sie einverstanden?‹ Ich nicke nur. Das Telefon ist weg von meinem Ohr. »Er ist einverstanden‹, sagt die Männerstimme hinter mir. Ich bin wieder allein in meinem Zimmer, mit einem Zettel in der Hand. Dreißig Stunden Zeit. Ein Scherz? Jetzt bin ich da. Kurz vor dem Morgengrauen. Eigentlich will ich nur den Arsch sehen, der sich diesen Scherz erlaubt hat. Vielleicht steckt auch mehr dahinter. Ich fahre noch ein kleines Stück, halte an und steige aus dem Wagen. Ich habe keine Unterlagen. Ich lasse das Band weiterlaufen. Ich kann niemanden sehen. Ende.«
    Im oberen Stock bei den Duschen und den Solarien knackte etwas. Albin fuhr hoch: Nur jetzt keine Panik. Er zwang sich zu einer Runde durch das Studio und schaltete dabei alle Lichter an. Sie kamen ihm dunkler vor als sonst. Anscheinend reichten sie nicht in alle Winkel. Sollte er Sarah anrufen? Schon allein die Möglichkeit beruhigte ihn. Er nahm die Kassette aus dem Kuvert und steckte sie in die Stereoanlage.
    Zuerst hörte er nur Rauschen, dann eine Stimme. Albin brauchte eine Weile, ehe er begriff, dass es die von Markovics war. Sie klang tief und voll, obwohl sie etwas unterdrückt war. Durch die sechzehn Lautsprecherboxen im Studio kam es Albin vor, als würde Markovics von dort aus, wo er jetzt war, mit ihm persönlich sprechen.
    Weil er den Text selbst gerade gelesen hatte, war es, als lese Markovics ihn vor. Albin musste sich erst wieder darauf besinnen, dass es umgekehrt gelaufen war: Markovics hatte gesprochen, und erst danach war der Text niedergeschrieben worden. Salzburg vor drei Wochen. Ein Auftrag für die Festwochen. Hotel Peter in der Getreidegasse. Ich glaube, es war ein Donnerstag. Das lässt sich in meiner Spesenabrechnung eruieren …
    Nach Markovics’ letztem Wort folgten drei Minuten Rauschen. Dann ein dumpfer Schlag. Jemand stürzte. Ein Poltern. Markovics sei auf ein Wagendach gezerrt worden, hatte Bergmann gesagt.
    Das Band lief noch einige Minuten weiter. Ein Auto wurde gestartet und fuhr ein Stück im Rückwärtsgang. Ein Sirren, ein metallisches Schnarren. Das Tonband schaltete sich ab.
    Albin verließ das Studio. Trotz der weiten Räume war es ihm dort zu eng geworden. Am Schluss hatte ihm die Luft zum Atmen gefehlt. Notfalls würde er am Westbahnhof übernachten, dachte er, als er auf die Mariahilfer Straße hinausstürzte.
     

 
    Kapitel 7
     
    Am Bildschirm eines öffentlichen Internet-Terminals in der Nähe der Mariahilfer Kirche lief ein Hinweis des Österreichischen Rundfunks auf die Anmeldepflicht für Fernsehgeräte. Ein Stück weiter wurde der Animateur einer halb leeren Spielhalle zur Straße heraus übertragen. Ein Taxi glitt ohne Auftrag in Richtung Ringstraße. Ein Eisladen wurde hinter verklebten Scheiben für die Wintersaison

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