Rot Weiß Tot
schon?«
Dumm war sie also nicht. »Damit würden Sie mir wirklich etwas Neues sagen.«
»… ein Kind.«
»Ein Kind? Blödsinn.«
Edith Stern legte eine Hand auf die rechte Schulter ihres starr geradeaus blickenden Mannes. »Das hat er gesagt.«
»Wer? Ihr Mann?«
»Marko.«
Ein Kind in einem Toyota. Irritierende Szenen, dachte Albin. »Wann genau war das?«
»Wenige Monate vor seinem Verschwinden.«
»Und Sie haben sich nichts dabei gedacht?«
»Niemand wusste bei ihm je, was fabuliert und was Wirklichkeit war. Ich fand diese Art immer arrogant. Auch eine klein gewachsene Frau könnte hinter dem Steuer gesessen sein. Eine seiner Mätressen.«
Edith Sterns Tonfall wurde immer gehässiger. Albin fragte sich, ob sie auch einmal zu seinen Mätressen gehört hatte. Ralf Stern verzog nach wie vor keine Miene.
»Er war der neue Typ Mann. Ein Beziehungsloser mit Harem.« Edith Stern grinste verächtlich. »Er rief die Frauen je nach Lust und Laune an. Mit manchen verkehrte er jahrelang so. Fallen gelassen hat er nur solche, die mehr forderten.«
»Sie kannten ihn wohl sehr gut.«
Wieder erschien dieser verächtliche Zug um ihren Mund. »Ich gehörte nicht zu seinen Huren, falls Sie das meinen. Ich möchte Sie auch bitten, jetzt zu gehen. Mehr wissen wir nicht.«
Albin blieb sitzen. »Mein Chef erwartet eine neue Wendung im Fall Ronald Markovics von mir. Ihr Mann ist prominent. Seine Involvierung wäre eine neue Wendung. Wenn ich das nicht schreiben soll, brauche ich etwas anderes. Vielleicht entwickeln wir gemeinsam eine Idee.«
Draußen kratzte die Katze an der Glastür. Edith Stern legte eine Hand auf die Schulter ihres Mannes. »Sie sind aufdringlich und ekelhaft. Ich habe schon gehört, dass im Journalismus so gearbeitet wird, es hat sich bei Ihrem Anruf schon angekündigt. Ich wollte es nur nicht glauben. Sie sind eine Schande für Ihren Berufsstand.«
Albin musterte Ralf Stern. Was mochte den Mann zu seiner seltsamen Werbeidee inspiriert haben? Vielleicht wollte er einfach nie wieder ein Wort mit seiner Frau wechseln. »Warum sind Sie auch nach seinem Tod noch so böse auf Ronald Markovics?«, beharrte Albin mit dem Gesicht eines Unschuldslammes.
»Eine Freundin von mir war mit ihm zusammen«, sagte Edith Stern angewidert. »Ich hatte sie gewarnt. Sie sagte, bei ihr wäre es etwas anders.«
»Er hat sie weggeworfen?«
»Er hat sie mit anderen Frauen gedemütigt, bis sie selber ging.«
»Fährt sie einen Toyota?«
»Sie hat ihn nicht umgebracht. Obwohl es rechtmäßig gewesen wäre.«
»Kennen Sie Hanna Goldmann?«
»Nie gehört.«
»Was dachten Sie bei Markovics’ Verschwinden?«
»Verhören Sie mich nicht. Sie sind weder von der Polizei noch ein richtiger Journalist. Sie sind bloß ein Verbrecher mit Presseausweis, wie all die anderen. Auf der Jagd nach einer Schlagzeile. Ich habe gesagt, was ich zu sagen habe. Jetzt verschwinden Sie endlich. Und schreiben Sie, was Sie wollen.«
Bei der Formulierung »Verbrecher mit Presseausweis« war Albin zusammengezuckt. Ein flaues Gefühl stieg jetzt von seinem Magen hoch. Inzwischen hätte er den Sterns das Gefängnis durchaus gegönnt. »Ich hätte trotzdem gerne eine Antwort.«
Edith Stern wirkte auf einmal erschöpft. »Markovics produzierte damals seltsame Werbefilme. Kennen Sie die Stiefelwerbung mit den Maschinengewehren?«
Albin nickte. In dieser Werbung waren die Füße einer Frau in Lackstiefeln zu sehen, nie die Frau selbst. Sie ging durch eine ärmliche Wohnung. Im Hintergrund war das unterdrückte Stöhnen eines Mannes zu hören. Sie legte vor einem Spiegel eine teure Abendrobe an. Ciao, sagte sie in der Tür, ging über ein regennasses Pflaster, fuhr in einem Taxi und betrat einen Ballsaal mit Walzermusik, Sektgläsern und Kristallleuchtern. Zeit für einen Tanz, sagt sie zu jemandem, der auch nicht zu sehen war. Draußen stiegen vier Männer mit Maschinengewehren aus einer dunklen Limousine. Es folgte die Einblendung der Schuhfirma.
»Diese Werbung war so absurd wie sein eigenes Verschwinden«, sagte Edith Stern.
»Was bedeutet das?«
»Ich weiß es nicht. Gar nichts. Ich habe nichts mehr zu sagen. Ich rede nur noch mit Ihnen, weil Sie mich dazu zwingen.«
Albin stand auf. »Wann haben Sie Markovics zum letzten Mal gesehen?«
»Drei Monate vor seinem Verschwinden. Nachdem mein Mann sich selbstständig gemacht hatte, sind wir viel gereist, um für seine Ideen zu werben. Wir sahen ihn kaum noch. Und nach der Vertragsunterzeichnung
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