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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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ein paar Kopien heraus. »Ich habe ein paar Auszüge aus Ihrer Akte mitgebracht. Bewaffneter Raubüberfall. Mit vierzehn. Früh übt sich.«
    »Danke. Sie erzählen mir nichts Neues.«
    »Drei Jahre Knast. Davor Waisenhäuser, Heime, solche für Schwererziehbare. So ungefähr der miserabelste Start ins Leben, den man sich vorstellen kann.«
    »Für mich war es in Ordnung so.«
    »Ja? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Tut das irgendetwas zur Sache? Was wollen Sie überhaupt?«
    »Ihnen sagen, dass ich Sie aufrichtig bewundere. Kaum ein Mensch bekommt mit so einer Vorgeschichte noch eine gerade Laufbahn hin. Sie sind sogar Journalist geworden. Beim Report. Ein Meinungsbildner. In gewisser Weise ein Faktor im Land. Wie haben Sie das geschafft?«
    Albin hätte ihm sagen können, dass er sich schon bei der Knastzeitung engagiert hatte. Bei seiner Kochlehre im Gefängnis hatte er bloß gelernt, dass nikotingelbe Finger beim Zubereiten von Semmelknödeln sauber wurden. Seine Zeitungsarbeit dagegen hatte ihm nach der Entlassung das Selbstvertrauen für die Bewerbung bei dem Seniorenblatt und später bei der Lehrredaktion des Report gegeben.
    Doch er schwieg lieber.
    »Irgendjemand muss Sie da herausgeholt haben«, sagte Bergmann. »Etwa Ihre Freundin, die diesen Ring geklaut hat?«
    »Sarah hat gar nichts geklaut.«
    »Sie war es also. Dachte ich mir.« Der Chefinspektor nickte wissend. »Kommen wir nun zur Sache.« Bergmann lehnte sich zurück und steckte sich eine weitere Zigarette an. »Sie setzen also Ihre erstaunliche Karriere aufs Spiel, indem Sie von einem Staatsorgan Informationen zu erpressen versuchen?«
    Albin stand auf. »Das ist Zeitverschwendung. Sie reden nur über alte Hüte statt über interessante Fakten. Schade.«
    »Bleiben Sie noch einen Moment, Herr Redakteur. Es war nicht ironisch gemeint, ich bewundere Sie tatsächlich.«
    Bergmann legte ein zweites Kuvert auf den Tisch. Es war kleiner, aber dafür dicker.
    Albin betrachtete es unschlüssig und setzte sich wieder.
    »Sie sind an der Reihe«, munterte ihn Bergmann auf.
    Albin warf einen Blick in den Umschlag. Darin befanden sich zwölf frisch kopierte und an der linken oberen Ecke zusammengeheftete DIN-A-4-Blätter sowie eine Sechzig-Minuten-Kassette. Er fischte den Smaragdring in der Plastikfolie aus einer Hosentasche und legte ihn daneben. »Es sah aus, als wäre er Markovics vom Finger gefallen«, sagte er. »Er lag genau unter dem Toten. Er wurde immer nur mit einem Bleistift berührt und nie abgewischt.«
    »Haben Sie eine Idee, wie ich sein wunderbares Auftauchen intern erklären soll?«
    »Sagen Sie einfach, er war die ganze Zeit da«, sagte Albin. »Bloß ist er wegen einer kleinen Schlamperei nicht rechtzeitig für den Bericht auf Ihrem Schreibtisch gelandet.«
    Bergmann schüttelte den Kopf. »Ich schätze, Sie haben von Polizeiarbeit weniger Ahnung als ich vom Journalismus. Eines wollte ich noch wissen. Warum waren Sie in jener Nacht ausgerechnet beim Heidentor?«
    Albin dachte daran, wie er das Monument bei seinem ersten Haftausflug besucht hatte. Um soziales Bewusstsein zu entwickeln, war er zuerst mit fünf anderen Häftlingen und zwei Begleitpersonen in einem Holzkahn die Donau hinaufgerudert. Auf der Rückfahrt hatte ihr grüner Bus mit dem kargen Interieur beim Heidentor gehalten. Albin hatte dort den heiligen Schwur geleistet, kein zweites Mal hinter Gitter zu gehen.
    Bergmann ging das allerdings nichts an. Mit dem Kuvert unter dem Arm verließ Albin wort- und grußlos, und ohne seine Rechnung beglichen zu haben, das Domcafé. Sollte doch der Chefinspektor das Mineralwasser bei seinen Spesen verbuchen.
    »Hier Albin Fischer. Hallo? Ist dort Hanna Goldmann?«
    Die Sprechanlage neben der dunkelgrünen Haustür in Hernals blieb stumm. Albin hatte nach dem Läuten ein Knacken gehört und es für eine Stimme gehalten. Jetzt läutete er abermals, diesmal länger.
    Albin war seit seinem Treffen mit Bergmann noch gar nicht richtig zum Denken gekommen. Er hatte sich kurz in der Redaktion blicken lassen, umsonst, wie sich herausgestellt hatte, weil sein Ressortchef gar nicht da war. Nun stand er zum vereinbarten Zeitpunkt vor Hanna Goldmanns Atelier am Rand des Wienerwaldes.
    »Ja bitte?« Er hörte eine Männerstimme.
    »Mein Name …«, fing Albin an, da summte schon der Türöffner.
    Ein schmaler Gang mit rotem Klinkerboden und blechernen Werbeschildern aus den Fünfzigern an den Wänden führte zu einer steinernen Treppe. Im ersten

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