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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nicht besonders gut auf sie zu sprechen sind, und ich weiß, dass Thomas Gratton gern etwas hören würde, was ihn in seiner schlechten Meinung über Benjamin Malvern bestätigt. Darum warte ich einen Moment ab, um seiner Bemerkung die Schärfe zu nehmen, bevor ich schließlich mit dem Griff des Eimers klappere und sage: »Wäre es in Ordnung, wenn ich die Rechnung erst in ein paar Tagen bezahle?«
    Thomas Gratton lacht leise. »Du bist wirklich der älteste Neunzehnjährige, der mir je untergekommen ist, Sean Kendrick.«
    Ich antworte nicht, denn damit hat er vermutlich recht. Er erklärt, dass ich Freitag bezahlen soll, wie immer, und Beech grunzt mir zum Abschied zu, als ich den Hof mit meinem Eimer voll Blut verlasse.
    Ich sollte darüber nachdenken, dass ich noch die Ponys von der Weide holen und das Futter für die Vollblüter vorbereiten und mir etwas einfallen lassen muss, wie ich heute Abend meine kleine Wohnung über dem Stall warm bekomme, aber ich denke bloß an die Neuigkeit, die Thomas Gratton gerade verkündet hat. Ich habe festen Boden unter den Füßen, aber ein Teil von mir ist schon unten am Strand und selbst mein Blut scheint zu singen: Ich bin lebendig, so lebendig.

3
    Puck An diesem Abend bricht Gabe die einzige Regel, die wir haben.
Ich gebe mir nicht besonders viel Mühe mit dem Abendessen, weil wir sowieso nichts als getrocknete Bohnen haben, und ich kann keine Bohnen mehr sehen. Also backe ich einen Apfelkuchen und komme mir geradezu tüchtig dabei vor. Ich bin sauer auf Finn, weil er schon den ganzen Nachmittag im Garten an einer uralten, kaputten Kettensäge herumbastelt. Er behauptet, jemand hätte sie ihm geschenkt, wahrscheinlicher aber ist, dass er sie aus irgendeiner Mülltonne gefischt hat, bloß weil sie einen Motor hat. Ich habe schlechte Laune, weil ich allein im Haus bin und mich irgendwie verpflichtet fühle aufzuräumen, und dazu habe ich keine Lust. Ich knalle Schubladen und Schränke zu und scheppere mit dem Geschirr in der ewig übervollen Spüle herum, aber Finn hört mich nicht oder tut zumindest so.
    Schließlich, kurz bevor die Sonne vollständig hinter der Anhöhe im Westen verschwindet, reiße ich die Seitentür auf. Eine Weile stehe ich bloß da und starre Finn vielsagend an, während ich darauf warte, dass er aufblickt und etwas zu mir sagt. Er kauert mit gekrümmtem Rücken über der Kettensäge, die auseinandergebaut vor ihm liegt, ihre Einzelteile in Reih und Glied auf der festgestampften Erde unseres Gartens ausgebreitet. Er trägt ein Sweatshirt von Gabe, das ihm, obwohl Gabe schon vor Jahren herausgewachsen ist, noch immer zu groß ist. Die Ärmel hat er zu dicken, vollkommen gleichmäßigen Rollen hochgekrempelt und sein dunkles Haar ist ein einziger strähniger Wust. Er sieht aus wie ein Waisenkind und das macht mir noch mehr schlechte Laune.
    »Willst du vielleicht langsam mal reinkommen und den Kuchen essen, solange er noch so nett ist, warm zu bleiben?« Ich klinge ein bisschen zickig, aber das ist mir egal.
    Ohne aufzusehen, erwidert Finn: »Eine Minute noch.«
    Er meint nicht eine Minute und das weiß ich.
    »Dann esse ich ihn eben allein«, sage ich. Er antwortet nicht; er ist völlig versunken in das Faszinosum der Kettensäge. Ganz kurz, nur für einen Moment, kommt mir der Gedanke, dass ich Brüder hasse, weil sie einfach nie kapieren, wann einem etwas wichtig ist, und sich immer nur um ihren eigenen Kram kümmern.
    Ich will gerade etwas sagen, was mir später wahrscheinlich leidtun würde, als ich Gabe sehe, der durch die Dämmerung auf uns zukommt. Keiner von uns sagt ihm Hallo, als er das Gartentor öffnet, sein Rad hindurchbugsiert und es wieder hinter sich schließt – Finn nicht, weil er völlig mit sich selbst beschäftigt ist, und ich nicht, weil ich sauer auf Finn bin.
    Gabe bringt sein Fahrrad hinters Haus und bleibt dann neben Finn stehen. Er nimmt seine Wollmütze ab, klemmt sie sich in die Armbeuge und verschränkt die Arme vor der Brust, während er Finn schweigend bei der Arbeit zusieht. Ich bin nicht sicher, ob Gabe in dem bläulich-schummrigen Abendlicht überhaupt erkennen kann, was Finn da seziert hat, bis Finn das Gehäuse der Kettensäge ein bisschen dreht, damit Gabe es besser sieht. Offenbar will Gabe gar nicht mehr wissen, denn als Finn den Kopf schräg legt und zu unserem älteren Bruder hochblickt, antwortet Gabe bloß mit einem kleinen Nicken.
    Diese wortlose Kommunikation fasziniert mich und macht mich wütend zugleich.

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