Rot wie die Liebe
er mit Weihnachten am Hut? Hoffentlich fuhren sie bald wieder nach Irland in das Haus zurück, das er ihnen geschenkt hatte, und ließen ihn in Ruhe.
Ob es in Geall wohl auch Weihnachten gab?, fragte er sich und fuhr mit dem Finger über das zerbeulte Medaillon, das er Tag und Nacht trug. Er hatte nie danach gefragt, aber warum sollte er auch? Wahrscheinlich hatten sie dort ein Julfest mit Lagerfeuern und Musik. Ihm war es doch ohnehin gleichgültig.
Aber Moira sollte auf jeden Fall feiern. Sie sollte tausend Kerzen entzünden und Schloss Geall mit ihrem Glanz erstrahlen.
Wann zum Teufel würde dieser Schmerz endlich nachlassen? Wie viele Ozeane von Whiskey würde er brauchen, um ihn zu betäuben?
Er hörte den Aufzug summen und blickte finster zur Tür. Er hatte dem verdammten Doorman doch gesagt, er solle niemanden zu ihm lassen. Irgendwann würde er dem Idioten das Genick brechen müssen. Aber es war ohnehin egal, denn er hatte als weitere Barriere den Mechanismus von innen verriegelt. Man konnte zwar mit dem Aufzug hinauffahren, aber nicht zu ihm hereinkommen.
Er fluchte, als die Türen aufglitten und Glenna heraustrat.
»Ach, du lieber Himmel«, sagte sie ungeduldig und schaltete das Licht an.
Es schmerzte ihm in den Augen, deshalb fluchte er laut.
»Ach, du.« Sie stellte die große, elegant verpackte Schachtel ab, die sie mitgebracht hatte. »Sitzt hier im Dunkeln wie ein …«
»Wie ein Vampir. Hau ab.«
»Es stinkt nach Whiskey.« Als ob ihr die Wohnung gehörte, trat sie in die Küche und begann Kaffee zu kochen. Während er durchlief, kam sie wieder ins Wohnzimmer. Cian saß noch genauso da wie vorher.
»Dir auch frohe Weihnachten.« Glenna legte den Kopf schräg. »Du brauchst eine Rasur, einen Haarschnitt, und da es hier nicht nur nach Whiskey stinkt, wahrscheinlich auch ein Bad.«
Er starrte mürrisch vor sich hin. »Willst du mir den Rücken einseifen, Rotschopf?«
»Wenn es sein muss. Warum wäschst du dich nicht selbst, Cian, und kommst mit mir in meine Wohnung? Wir haben jede Menge zu essen übrig. Es ist Weihnachten«, fügte sie hinzu, als er sie verständnislos anblickte. »Fast neun Uhr am Weihnachtsabend, und ich habe meinen Mann alleine zu Hause gelassen, weil er genauso eigensinnig ist wie du und nicht hierher kommen will, wenn du ihn nicht einlädst.«
»Das ist ja auch in Ordnung so. Ich will keine Reste. Und auch nicht den Kaffee, den du da kochst.« Er hob sein Glas. »Ich habe alles, was ich brauche.«
»Gut. Dann besauf dich weiter, stink und fühl dich elend. Aber vielleicht willst du das hier.«
Sie trat zu der Schachtel, nahm sie und legte sie ihm in den Schoß. »Mach sie auf.«
Er musterte sie desinteressiert. »Aber ich habe kein Geschenk für dich.«
Sie hockte sich vor ihn. »Mein Geschenk ist es, wenn du die Schachtel aufmachst.
Bitte. Es ist mir wichtig.«
»Gehst du, wenn ich sie aufmache?«
»Sofort«
Er hob den Deckel mit dem Silberpapier und der prächtigen Schleife und schob das knisternde Seidenpapier beiseite.
Und Moira blickte ihn an.
»Oh, verdammt, verdammt, Glenna.« Weder der Whiskey noch seine Willensstärke konnten etwas gegen ihr Bild ausrichten. Seine Stimme bebte, als er das gerahmte Porträt herausnahm. »Es ist wunderschön. Sie ist wunderschön.«
Glenna hatte Moira in dem Moment festgehalten, als sie das Schwert aus dem Stein gezogen hatte. Und sie hatte die neue Königin, die das glänzende Schwert zum Himmel reckte, die verträumte und doch machtvolle Atmosphäre, den silbrigen Dunst und die tiefen, grünen Schatten fantastisch eingefangen.
»Ich habe gedacht oder gehofft, dass dieses Bild dich daran erinnert, wozu du beigetragen hast. Ohne dich hätte sie nicht da gestanden. Ohne dich gäbe es kein Geall mehr. Ich wäre nicht hier ohne dich, und keiner von uns hätte ohne dich überlebt.« Sie legte die Hand auf seine. »Wir sind immer noch ein Zirkel, Cian. Und wir werden es immer sein.«
»Es war richtig, dass ich sie verlassen habe. Es war richtig.«
»Ja.« Sie drückte seine Hand. »Du hast das Richtige getan, es war ein gewaltiger Akt der Liebe. Aber zu wissen, dass es richtig war, ändert nichts am Schmerz.«
»Nein, dagegen gibt es kein Mittel.«
»Ich würde ja sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt, aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt.« Voller Mitgefühl blickte sie ihn an. »Ich will dir nur sagen, du hast Freunde und Familie, die dich lieben und immer für dich da sein werden. Es gibt Menschen, die
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