Rot wie die Liebe
Ewigkeit voller Dunkelheit und Durst nach Menschenblut. Ein Leben, das kein Leben ist. Sie wusste nicht, was sie von mir verlangt hat.«
»Doch, sie wusste es. Sie hat ein starkes Herz und einen scharfen Verstand, und Mut, und doch hätte sie dir ihr Leben gegeben. Du hast es doch gut, oder nicht? Du bist reich und kultiviert, besitzt schöne Häuser.«
»Das stimmt. Ich habe etwas aus meinem toten Ich gemacht. Warum nicht?«
»Und du genießt es auch – wenn du nicht gerade im Dunkeln sitzt und über das nachdenkst, was nicht sein kann. Du genießt deine Ewigkeit, deine Jugend, deine Stärke und dein Wissen.«
Er grinste höhnisch. »Wäre es dir lieber, ich würde mich wegen meines Schicksals ständig bedauern? Endlos meinen eigenen Tod beklagen? Verlangen die Götter das von mir?«
»Wir verlangen gar nichts. Wir haben gebeten, und du hast gegeben. Mehr gegeben, als wir für möglich gehalten haben. Wenn es anders wäre, wäre ich nicht hier.«
»Gut. Und jetzt kannst du wieder gehen.«
»Und«, fuhr sie in genau dem gleichen leichten Tonfall fort, »ich würde dich nicht vor diese Wahl stellen. Weiterleben, reicher werden. Jahrhundert um Jahrhundert, alterslos, ohne Krankheit, mit dem Segen der Götter.«
»Das habe ich schon, auch ohne euren Segen.«
Ihre Augen funkelten, aber er war sich nicht sicher, ob sie zornig war oder sich über ihn lustig machte. »Aber jetzt wird es dir geschenkt, als dem Einzigen deiner Art. Du und ich wissen mehr vom Tod als jeder Mensch. Und wir fürchten ihn mehr. Du brauchst nicht zu sterben. Oder du darfst sterben.«
»Was? Durch den Pflock von der Hand eines Gottes?« Cian lachte verächtlich und nahm noch einen Schluck Whiskey aus der Flasche. »Verbrannt im ewigen Feuer?
Eine Reinigung für meine schwarze Seele?«
»Du kannst sein, was du warst, und ein Leben haben, das irgendwann wie jedes Leben endet. Du kannst leben und altern und krank werden und eines Tages den Tod erleben wie ein Mensch.«
Die Flasche glitt ihm aus den Fingern und zerschellte auf dem Fußboden. »Was?«
»Das ist deine Wahl«, sagte Morrigan und hob beide Hände. »Ewigkeit, an der du dich mit unserem Segen erfreuen kannst. Oder eine Handvoll Jahre als Mensch. Was willst du, Vampir?«
In Geall hatte es geschneit, und eine dünne Schneedecke bedeckte das Land. Die Morgensonne glitzerte darauf, und sie funkelte auf den Eiszapfen, die von den Bäumen hingen.
Moira reichte Sinann ihren Säugling. »Sie wird mit jedem Tag hübscher. Ich könnte sie stundenlang anschauen. Aber ich muss jetzt mit den Vorbereitungen weitermachen.
Unsere Gäste kommen am Nachmittag.«
»Du hast alle, die ich liebe, wieder zu mir zurückgebracht.« Sinann drückte ihr Kind an sich. »Ich wünschte, ich könnte dir auch geben, was du liebst.«
»Ich hatte in wenigen Wochen ein ganzes Leben.« Moira gab dem Baby einen letzten Kuss, drehte sich jedoch überrascht um, als Ceara hereingestürmt kam.
»Majestät. Da ist jemand … unten ist jemand, der Euch zu sehen wünscht.«
»Wer?«
»Ich … man hat mir nur gesagt, ein Besucher, der weit gereist ist, um mit Euch zu sprechen.«
Moira zog die Augenbrauen hoch. »Na, wer auch immer es sein mag, er hat dich völlig durcheinandergebracht.«
Zu ihrer Kusine gewandt sagte sie: »Bis später dann.«
Sie ging hinaus und strich sich dabei die Hose glatt. Sie bereiteten seit Tagen schon alles für Silvester und für ihre Gäste vor. Sie freute sich so, sie endlich wiederzusehen und mit ihnen zu sprechen. Larkin hatte ja noch nicht einmal seine jüngste Nichte gesehen.
Ob sie wohl Nachricht von Cian mitbringen würden?
Entschlossen presste sie die Lippen zusammen. Keiner sollte ihr ihren Kummer anmerken. Es waren Festtage, eine Zeit zum Feiern, und sie durfte die Freude der Gealler ganz gewiss nicht dämpfen.
Als sie die Treppe hinunterging, begann ihre Haut zu prickeln. Ein Schauer rann ihr über den Rücken.
Ihr Herz schlug schneller, und sie begann zu laufen. Und dann geschah, was sie nie für möglich gehalten hätte. Er stand da und schaute zu ihr hinauf.
»Cian.« Die Freude brach aus ihr heraus. »Du bist zurückgekommen.« Sie hätte sich ihm in die Arme geworfen, aber er blickte sie so aufmerksam, so seltsam an, dass sie sich nicht sicher war, ob er sie auch willkommen heißen würde. »Du bist zurückgekommen.«
»Ich habe mich gefragt, was ich in deinem Gesicht sehen würde. Können wir unter vier Augen miteinander sprechen?«
»Ja, natürlich. Wir
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