Rot wie die Liebe
…« Verwirrt blickte sie sich um. »Es sieht so aus, als ob wir hier alleine sind. Alle sind weg.« Wo sollte sie mit ihren Händen hin, um ihn nicht anzufassen? »Wie bist du hergekommen? Wie …«
»Es ist Silvester«, sagte er. »Das Ende des Alten, der Beginn des Neuen. Ich wollte dich zum Jahreswechsel sehen.«
»Ich wollte dich immer sehen, ganz gleich, wann oder wo. Die anderen kommen auch in ein paar Stunden. Und du bleibst, oder? Bitte sag, dass du über das Fest bleibst.«
»Das kommt darauf an.«
Ihre Kehle brannte, als ob sie Feuer geschluckt hätte. »Cian, das, was du mir geschrieben hast, war richtig, ich weiß, aber es war so schwer, dich nicht wiederzusehen. Wir hatten unseren letzten gemeinsamen Moment auf dem Schlachtfeld. Und ich wollte …« Jetzt flossen doch die Tränen, und sie konnte sie kaum noch zurückdrängen. »Ich wollte doch nur einen Moment mehr. Und jetzt habe ich ihn.«
»Würdest du auch mehr als einen Moment nehmen, wenn ich ihn dir geben könnte?«
»Ich verstehe nicht.« Dann aber lächelte sie unter Tränen, als er das Medaillon hervorzog. »Du trägst es ja immer noch.«
»Ja, ich trage es immer noch. Es ist mein wertvollster Besitz. Ich habe dir nichts von mir zurückgelassen. Und jetzt frage ich dich, würdest du denn mehr nehmen als diesen einen Moment, Moira? Würdest du das nehmen?« Er ergriff ihre Hand und legte sie auf sein Herz.
»Oh, ich hatte schon Angst, du wolltest mich nicht mehr anfassen.« Sie zitterte vor Erleichterung. »Cian, du weißt doch, du musst wissen, dass ich …«
Ihre Hand, die er an seine Brust drückte, zitterte, und sie riss die Augen auf. »Dein Herz. Dein Herz schlägt.«
»Einmal habe ich dir gesagt, dass es nur für dich schlagen würde, wenn es schlüge.
Und das tut es jetzt.«
»Es schlägt unter meiner Hand«, flüsterte sie. »Wie ist das möglich?«
»Ein Geschenk der Götter zum Julfest. Sie haben mir zurückgegeben, was mir genommen wurde.« Er zog auch das Silberkreuz hervor, das neben dem Medaillon hing. »Vor dir steht ein Mann, Moira.«
»Du bist ein Mensch«, flüsterte sie. »Du lebst.«
»Ich bin ein Mann, der dich liebt.« Er zog sie zu den Türen, riss sie auf und ließ das Sonnenlicht hereinströmen. Und weil es ihm immer noch so wundersam erschien, hob er sein Gesicht, schloss die Augen und badete in dem hellen Licht.
Sie konnte die Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten. »Du lebst«, schluchzte sie. »Du bist zu mir zurückgekommen, und du lebst.«
»Vor dir steht ein Mann«, sagte er noch einmal. »Ein Mann fragt dich, ob du mit ihm sein Leben teilen willst, ob du mit ihm leben willst. Wenn du mich so nimmst, wie ich bin, und mit mir lebst, wird Geall meine Welt sein, so wie du meine Welt bist. Es wird mein Herz sein, wie du mein Herz bist. Wenn du mich willst.«
»Ich war doch vom ersten Moment an dein, und ich werde es bis zum letzten Moment sein. Du bist zu mir zurückgekommen.« Sie legte eine Hand auf sein Herz und die andere Hand auf ihres. »Und mein Herz schlägt wieder.«
Sie schlang die Arme um ihn, und die, die sich im Hof und auf den Treppen versammelt hatten, jubelten, als die Königin von Geall ihren Liebsten in der Wintersonne küsste.
»Und so lebten sie«, sagte der alte Mann, »und sie liebten sich. Der Kreis wurde stärker und bildete neue Kreise, wie Wellen in einem Teich. In dem Tal, das einmal das Tal des Schweigens gewesen war, rauschte der Sommerwind durch das grüne Gras. Vieh weidete dort, und man hörte Musik und das Lachen der Kinder.«
Der alte Mann strich dem kleinsten Kind, das auf seine Knie gekrabbelt war, über die Haare. »Geall blühte unter der Herrschaft von Moira, der Kriegerkönigin, und ihrem Ritter. Für sie leuchtete selbst in der dunkelsten Nacht ein Licht.
Und damit schließt sich der Kreis der Geschichte vom Zauberer, der Hexe, der Kriegerin, der Gelehrten, dem Gestaltwandler und dem Vampir.«
Er tätschelte dem Kind auf seinem Schoß den Rücken. »Hinaus mit euch, solange die Sonne noch scheint.«
Lärmend stürmten die Kinder nach draußen, und er lächelte, als er hörte, wie sie sich schon an der Tür zu zanken begannen, wer Zauberer und wer Königin sein sollte.
Weil seine Sinne in manchen Teilen immer noch schärfer waren, hob Cian die Hand und legte sie über Moiras, die von hinten an den Sessel herangetreten war.
»Du erzählst die Geschichte gut.«
»Es ist leicht zu erzählen, was man selbst erlebt hat.«
»Es ist leicht zu
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