Rot wie die Liebe
weil sich Schritte näherten, und schwieg, bis sie sich wieder entfernt hatten. »Die, die sie fanden und nach Hause brachten, glaubten, es wären Tiere gewesen. Und so war es ja auch«, fuhr sie mit harter Stimme fort. »Nur dass diese aufrecht wie Menschen gingen. Sie hat sie geschickt, damit es keine weiteren Kinder von ihm gäbe als nur mich.«
Sie wandte sich zu ihm, und der Schein der Fackeln schimmerte rot auf ihrem blassen Gesicht. »Vielleicht wusste sie ja damals nur, dass der Herrscher von Geall zum Zirkel gehören würde. Oder es war damals vielleicht einfacher, ihn anstatt mich zu töten, weil ich ja noch ein Baby war und rund um die Uhr behütet wurde. Sie hatte noch so viel Zeit, um sich um mich zu kümmern. Aber stattdessen töteten sie meine Mutter.«
»Die, die es taten, sind tot.«
»Ist das ein Trost?«, fragte sie. »Ich weiß nicht, was ich empfinden soll. Ich weiß nur, dass sie mir meine Eltern genommen hat. Dadurch wollte sie aufhalten, was nicht aufzuhalten ist. An Samhain treffen wir mit ihr auf dem Schlachtfeld zusammen, weil es so sein soll. Und ob ich nun Königin bin oder nicht, ich werde kämpfen. Sie hat sie vergeblich getötet.«
»Und auch du hättest nichts tun können, um sie aufzuhalten.«
Ja, er will mich wahrhaftig trösten, dachte sie. Und seltsamerweise tat es ihr gut.
»Ich kann nur hoffen, dass das stimmt. Auf jeden Fall weiß ich, dass der morgige Tag über einen Ritus und ein Ritual weit hinausgeht. Wer morgen das Schwert herauszieht, führt diesen Krieg an und rächt den Tod meiner Eltern. Und das kann sie nicht aufhalten.«
Sie trat zurück und zeigte nach oben. »Siehst du die Fahnen? Der Drache und der Claddaugh. Seit jeher die Symbole von Geall. Ich werde ein weiteres hinzufügen.«
Er überlegte, wofür sie sich entschieden haben mochte – ein Schwert, ein Pflock, ein Pfeil. Dann jedoch wusste er es. Keine Waffe, kein Instrument des Krieges und des Todes, sondern ein Symbol für Hoffnung und Dauer. »Eine Sonne, die ihr Licht über die Welt erstrahlen lässt.«
Überrascht blickte sie ihn an, und ihr Gesicht hellte sich auf. »Ja. Du verstehst, was ich denke und brauche. Eine goldene Sonne auf der weißen Fahne, die für das Licht steht, für das Morgen, um das wir kämpfen. Diese Sonne wird das dritte Symbol von Geall sein. Und sie soll verflucht sein. Sie und was sie hierher gebracht hat.«
Moira holte tief Luft. »Du hörst gut zu – und ich rede zu viel. Komm mit hinein. Die anderen sitzen sicher schon beim Abendessen.«
Er legte ihr die Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten. »Bisher habe ich gedacht, du würdest dich als Königin in Kriegszeiten nicht eignen. Ich fürchte, ich habe mich geirrt.«
»Wenn das Schwert mein ist«, sagte sie, »dann hast du dich geirrt.«
Als sie hineingingen, dachte er, dass dies gerade das längste Gespräch gewesen war, seit sie einander zwei Monate zuvor kennengelernt hatten.
»Du musst es auch den anderen sagen. Du musst ihnen sagen, was deiner Meinung nach mit deinem Vater passiert ist. Der Kreis darf nicht durch Geheimnisse geschwächt werden.«
»Du hast Recht. Ja, du hast Recht.«
Mit hoch erhobenem Kopf und klarem Blick ging sie voraus.
2
Sie schlief nicht. Wie sollte eine Frau auch in einer solchen Nacht schlafen? Wenn es ihr Schicksal war, morgen Früh das Schwert aus seiner steinernen Scheide zu ziehen, war sie Königin von Geall. Als Königin würde sie herrschen und regieren, und sie übernahm Pflichten, die ihr von klein auf beigebracht worden waren. Aber sie würde als Königin ihr Volk auch in den Krieg führen, wie sie bereitwillig jemand anderem in die Schlacht folgen würde, wenn er das Schwert herauszöge.
Konnten diese wenigen Wochen Training jemanden auf eine so gewaltige Aufgabe und Verantwortung vorbereiten? In dieser Nacht wäre sie zum letzten Mal die Frau, die sie eigentlich hatte werden wollen. Was auch immer die Morgendämmerung ihr brächte, nichts wäre jemals wieder so, wie es einmal war.
Vor dem Tod ihrer Mutter hatte sie geglaubt, dieser Zeitpunkt wäre noch Ewigkeiten entfernt. Sie hatte geglaubt, noch jahrelang die Gesellschaft, den Trost und den Rat ihrer Mutter in Anspruch nehmen und in Ruhe und Frieden lernen und studieren zu können, sodass sie, wenn die Zeit gekommen, nicht nur für die Krone bereit, sondern ihrer auch würdig wäre.
Insgeheim hatte sie angenommen, dass ihre Mutter noch Jahrzehnte lang regieren und sie selbst heiraten würde. In ferner Zukunft, so
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