Rote Lilien
braucht doch seine Mutter.«
»Der Bankert, der von Ihnen geboren und mir aufgezwungen wurde, heißt Reginald, nach seinem Vater.«
»Nein, ich habe ihn James genannt. Sie haben gesagt, er wäre tot, aber ich höre ihn doch weinen.« Ein besorgter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, als sie sich im Zimmer umsah. »Hören Sie ihn denn nicht weinen? Ich muss ihn finden, ich muss ihn in den Schlaf singen.«
»Sie gehören in eine Irrenanstalt. Fast könnte ich Mitleid mit Ihnen haben.«
Das Feuer im Kamin hinter Beatrice loderte auf. »Sie haben in dieser Angelegenheit genauso wenig eine Wahl wie ich. Aber ich habe wenigstens keine Schuld. Ich bin seine Frau. Ich habe ihm Kinder geboren, eheliche Kinder. Ich habe den Tod einiger meiner Kinder zu beklagen, und mein Verhalten ist über jeden Zweifel erhaben. Was die Affären meines Mannes angeht, so habe ich mich taub und blind gestellt und ihm keinen einzigen Grund zur Klage gegeben. Aber ich habe ihm keinen Sohn geschenkt, und das ist meine Todsünde.« Beatrice wurde wütend, und ihre Wangen röteten sich. »Glauben Sie, ich hätte gewollt, dass man mir Ihren Bankert unterschiebt? Diesen Bankert einer Hure, der mich Mutter nennen wird? Der das alles einmal erben wird?« Sie breitete die Arme aus. »Das alles hier ... Ich wünschte, er wäre in Ihrem Leib gestorben und Sie mit ihm.«
»Geben Sie ihn mir, geben Sie ihn mir zurück. Ich habe doch seine Decke.«
Amelia sah auf ihre leeren Hände herab. »Ich habe doch seine Decke. Ich werde ihn mitnehmen.«
»Es ist nicht mehr zu ändern. Wir sind in der gleichen Falle gefangen, aber Sie haben Ihre Strafe wenigstens verdient. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Sie können ihn doch nicht behalten, wenn Sie ihn nicht wollen. Sie können ihn nicht haben.« Mit weit aufgerissenen Augen rannte sie auf Beatrice zu. Der harte Schlag auf ihre Wange ließ sie das Gleichgewicht verlieren und zu Boden stürzen.
»Sie verlassen jetzt sofort dieses Haus.«
Beatrice sprach leise und beherrscht, als würde sie einem Bediensteten einen unwichtigen Auftrag geben. »Sie werden kein Wort mehr über diese Angelegenheit verlieren, oder ich werde dafür sorgen, dass Sie in einer Irrenanstalt landen. Ich werde nicht zulassen, dass mein guter Ruf durch Ihre Hirngespinste ruiniert wird. Sie werden nie wieder hierher kommen, nie wieder einen Fuß in Harper House oder auf den Besitz der Harpers setzen. Sie werden das Kind nie wiedersehen - das wird Ihre Strafe sein, obwohl das meiner Meinung nach bei Weitem nicht genug ist.«
»James. Ich werde hier mit James leben.«
»Sie sind verrückt«, erwiderte Beatrice leicht belustigt. »Treiben Sie nur weiter Ihre Hurerei. Ich bin sicher, dass Sie einen Mann finden werden, der Ihnen noch einen Bankert macht.« Beatrice ging zur Tür und riss sie auf. »Havers!« Sie wartete und ignorierte das verzweifelte Schluchzen hinter sich. »Danby soll diese Kreatur aus dem Haus werfen.«
Sie kam trotzdem zurück. Man trug sie hinaus und befahl dem Fahrer, sie wegzubringen. Doch sie kam wieder, mitten in der kalten Nacht. Ihr Geist war verwirrt, doch noch einmal gelang es ihr, zu Harper House zu fahren, dieses Mal mit einer gestohlenen Pferdekarre. Der Regen hatte ihr Haar durchweicht, und das weiße Nachthemd klebte ihr am Leib. Sie wollte alle töten. Sie in Streifen schneiden, in Stücke hacken. Dann konnte sie James mitnehmen, ihn in ihren blutigen Händen wegtragen. Aber das würden sie nie zulassen. Sie würden nie zulassen, dass sie ihr Kind in die Arme nahm. Dass sie sein Gesicht sah. Es gab nur eine Möglichkeit. Sie stieg vom Karren, während Mondlicht und Schatten über Harper House huschten, die schwarzen Fensterhöhlen schimmerten und die Menschen hinter seinen Mauern schliefen. Der Regen hatte aufgehört; der Himmel war wieder klar.
Nebelschwaden krochen über den Boden, graue Schlangen, die sich unter ihren nackten, frierenden Füßen teilten. Der Saum ihres Nachthemds schleifte über die feuchte Erde, während sie ein Schlaflied summend weiterging. Sie würden bezahlen. Teuer bezahlen. Sie war bei der Voodoo-Priesterin gewesen und wusste, was getan werden musste. Sie wusste, wie sie das, was sie wollte, für immer bekommen würde. Für immer. Sie ging durch den winterlichen Garten bis zum Kutscherhaus, wo sie finden würde, was sie brauchte. Sie sang, während sie es mit sich trug und in der feuchten Luft auf das Herrenhaus zuging, auf dessen gelbem Stein das
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