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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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die Sehnsucht brannten in ihr.
     
    Spätabends lag sie im Bett, starrte zerknirscht zur Decke und wehrte sich gegen die Schuldgefühle, indem sie eine imaginäre Antwort an Barend aufsetzte.
    |46| Ich will Dir die ganze Wahrheit sagen: Es wird nichts nutzen, wenn Dein Vater und ich miteinander reden, weil ich ihn nicht mehr liebe. Und zu meiner Schande weiß ich nicht, ob ich es je getan habe. Ich hasse ihn auch nicht, darüber bin ich schon lange hinweg. Ich empfinde gar nichts für ihn.
    Dich habe ich lieb, denn Du bist mein Kind.
    Aber Liebe ist wie eine Botschaft: Sie existiert nur, wenn es einen Empfänger gibt. Und ich musste mir eingestehen, dass meine Liebe schon lange nicht mehr bei Dir ankommt. Du hast sie nicht angenommen, Barend, auch wenn Du jetzt flehst und bittest und Dich voller Reue zeigst. Wo war das alles, als ich mich immer wieder mit Dir zusammengesetzt habe, liebevoll und zugewandt, und Dich gebeten habe: Bitte rede nicht mehr so mit mir, sei respektvoller, liebevoller. Denn die Art, in der ein Mann mit einer Frau umgeht, definiert ihn auch. Du bist größer und stärker als ich, körperlich habe ich Angst vor Dir. Ich will gar nicht Deine Verfehlungen auflisten, denn ich sehe schon Dein Gesicht vor mir, wenn Du dies hier liest, die unbedeutenden vorstädtischen, häuslichen Sünden eines Teenagers: dass Dein Zimmer aussieht wie ein Schweinestall, dass Du trotz meiner ständigen Bitten Deine schmutzige Wäsche immer im Badezimmer auf den Boden wirfst. Deine Grobheit, Deine Distanziertheit, Deine Arroganz, als sei ich Dreck und als könntest Du mich kaum ertragen. Dein völliger Mangel an Rücksichtnahme, Dein egozentrisches Wesen, Deine ständigen Forderungen nach noch mehr Geld, noch mehr Besitz, noch mehr Privilegien. Deine Reaktionen, wenn ich nein sage, die Wutanfälle, die Flüche. Deine bitteren, ungerechten Vorwürfe, Deine Manipulationen und Lügen. Du bist ein Grobian und ein Betrüger, und ich liebe Dich trotzdem, aber das bedeutet nicht, dass ich ewig mit Dir unter einem Dach leben muss.
    So schrieb sie in Gedanken, mit dem Wissen, dass sie davon nie etwas zu Papier bringen würde.
    Morgen früh würde sie Barend einen richtigen Brief schreiben. Sie würde ihm sagen, dass sie ihn vorerst nicht anrufen wolle. Er |47| solle ihr bitte Zeit lassen, damit sie erst einmal zu sich kommen könne. Aber sie könnten sich schreiben. Sie würde ihm auf jeden Brief antworten.
    Und sie würde ihm sagen, dass sie ihm bereits verziehen habe. Und ihn unendlich liebe.

8
    (25. August 2009. Dienstag.)
    Dasselbe charakterlose, leicht deprimierende Sprechzimmer. Diesmal waren vier Personen anwesend: die fröhliche Mevrou Nkosi, ein Schwarzer, der sich nur als »Ben« vorstellte, und hinten an der Wand zwei namenlose Zuschauer, ein sehr dicker Inder und eine Frau in den Fünfzigern.
    »Ich muss sagen, dass die Überprüfung ein wenig überraschend kam«, wandte sich Milla zaghaft an die leutselige Mevrou Nkosi.
    »Verstehen wir«, sagte Ben, der Milla an Shakespeare erinnerte, an einen der »mageren and hungrigen Männer« Julius Cäsars. »Ist aber unerlässlich. Vorwarnung wäre nicht zweckdienlich. Brächte unglaubwürdige Aussagen.« Sätze in Reih und Glied wie Soldaten.
    »Doch die gute Nachricht ist, dass Sie in die engere Auswahl gekommen sind«, fuhr Mevrou Nkosi fort. »Den Tätigkeitsbereich habe ich Ihnen ja bereits beschrieben, aber diesmal können wir Ihnen schon ein bisschen mehr verraten.«
    »Sie würden für eine Regierungsbehörde arbeiten. Eine sehr wichtige. Wären Sie bereit, dem Staat zu dienen?«, fragte Ben.
    »Ja, ich … Darf ich fragen, bei wem Sie sich noch über mich erkundigt haben?«
    »Normalerweise hätten wir Ihr berufliches Umfeld überprüft und uns an ehemalige Arbeitgeber und Kollegen gewandt. Ihr Fall lag anders. Wir haben Ihren Exmann befragt. Einen ehemaligen Lehrer. Einen ehemaligen Dozenten. Sie haben unsere Anforderungen erfüllt, voll und ganz.«
    |48| Sie hätte gerne gewusst, mit welchem Lehrer sie geredet hatten, denn an der Schule in Wellington hatte es konservative Mitglieder des
Broederbonds
gegeben …
    »Und jetzt zu Ihrem zukünftigen Aufgabenbereich. Sie arbeiten für eine Regierungsorganisation. Geheimhaltung ist oberste Pflicht. Das Hauptproblem: Sie dürfen niemandem von Ihrer Arbeit erzählen. Ihrer wahren Arbeit. Sie werden lügen müssen. Ihren Freunden, Ihrer Familie gegenüber. Die ganze Zeit. Das kann zur Belastung werden.«
    »Am Anfang,

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