Rote Spur
eigentlich nur am Anfang«, sagte Mevrou Nkosi beschwichtigend. »Man gewöhnt sich daran.«
»Natürlich wird man Sie darauf vorbereiten. Damit umzugehen. Doch vielleicht entspricht das alles gar nicht Ihren Vorstellungen.«
»Es ist … Ich hatte ja keine Ahnung …«
»Wir verstehen, dass das für Sie sehr plötzlich und unerwartet kommt. Keine Sorge, wir lassen Ihnen genügend Zeit, es sich zu überlegen. Wenn Sie aber jetzt schon das Gefühl haben, das ist nichts für Sie …«
»Doch«, erwiderte Milla Strachan. »Ich … Es klingt … aufregend.«
(27. August 2009. Donnerstag.)
Rajhev Rajkumar kannte Janina Mentz gut. Er wusste, wie er sie überzeugen konnte.
»Wegen der Stelle beim Info-Team …«
»Ja?«
»Ich glaube, diese Kandidatin hier wäre am besten geeignet«, sagte er und tippte mit dem Fingernagel auf eine Akte.
»Warum?«
»Sie ist intelligent, ein bisschen unsicher vielleicht, aber Ben kann auch etwas schroff wirken. Sie ist politisch fast neutral, mit liberalem Hintergrund. Lebt allein. Und sie kann am Ersten anfangen, was natürlich ein Pluspunkt ist.«
»Aber sie hat keinerlei Berufserfahrung.«
|49| »Die hatte keiner der Bewerber. Aber Sie wissen ja, dass das im Grunde ein Vorteil ist. Ein unbeschriebenes Blatt, nicht durch die Arbeit in der Medienbranche beeinflusst.«
»Hmm …«
Rajkumar wartete geduldig, denn er wusste, dass Mentz alle Mitschriften gelesen hatte. Ihm war klar, welche Absätze den Ausschlag geben würden.
Bewerbungsgespräch: zu besetzende Stelle in der Abteilung Informationsgewinnung und -aufbereitung
Mitschrift: M. Strachan, Bewerberin, im Gespräch mit B.B. und J.N.
Datum und Uhrzeit: 25. August 2009, 10:30
BB: Werden Sie von Ihrem Exmann Unterhaltszahlungen erhalten?
MS: Nein.
BB: Warum nicht? Sie hätten doch sicher ein Anrecht darauf. Und Ihr Mann ist sehr wohlhabend.
MS: Wenn ich Geld von ihm annähme, würde ich mich wieder von ihm abhängig machen. Es wäre ein Zeichen der Unterwürfigkeit. Und der Schwäche. Ich bin nicht schwach.
»Gut«, sagte Janina Mentz schließlich, »stellen Sie die Frau ein.«
(1. September 2009. Dienstag.)
Im Unterrichtsraum standen vierzehn Stühle vor einem Pult, doch sie und der Mitarbeiter, der ihr die Einweisung gab, saßen nebeneinander. Er sprach mit schleppender Stimme und ernster Miene. »Ihre wichtigste Tarnung ist die sogenannte Legende, die Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden gegenüber aufbauen. In Ihrem Fall heißt diese Tarnung
News This Week
. Diese Publikation existiert tatsächlich. Sie wird von der Regierungsstelle für Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben und an die Minister, die Generaldirektoren und ihre Mitarbeiter verteilt. Sie werden |50| also erzählen, dass Sie für diesen Newsletter täglich aus den elektronischen und den Printmedien grundlegende Informationen über Limpopo und Mpumalanga herausfiltern. Für diese Gebiete sind Sie zuständig und schreiben jede Woche eine Seite in dem Newsletter über sie. Dabei müssen Sie wissen, dass die Regierung solche Informationen wirklich benötigt. Sie sollten auch jede Woche den echten Newsletter lesen, damit Sie wissen, was er enthält. Ebenfalls wichtig für Ihre Tarnung ist, dass Sie mit Aufstiegschancen rechnen. Sie können den Leuten also erzählen, dass Sie hoffen, eines Tages in eine größere Abteilung versetzt zu werden, zum Beispiel als Verantwortliche für das Westkap, und vielleicht in ein paar Jahren zur stellvertretenden Chefredakteurin aufzusteigen.«
Milla fragte sich, warum sie nicht fiktiv nach Höherem streben konnte, etwa dem Chefredakteursposten.
Kurz vor dem Mittagessen traf sie ihre neue Chefin, Mevrou Killian, die Leiterin der Abteilung für Informationsgewinnung und -aufbereitung, kurz: Info-Team, wie der Mann ihr erklärt hatte, der ihr die Einführung gab. Milla erkannte die Frau wieder. Sie war diejenige, die bei dem letzten Gespräch wortlos an der Wand gesessen hatte und aussah wie eine gütige Großmutter. Anschließend blieb nur noch Zeit, den neuen Kollegen rasch die Hand zu schütteln – der spektakulären Jessica mit ihren wilden roten Haaren und dem wohlgeformten Busen sowie zwei älteren, glatzköpfigen Männern, deren Namen ihr sofort entfielen.
Sie begriff, dass sie zu schick angezogen war, denn Jessica trug einen alten, übergroßen Pullover über einer Jeans und einer der Glatzköpfe eine Krawatte zu einem karierten Pullover mit kurzen Ärmeln.
(2. September 2009.
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