Rote Spur
einmal verarbeiten. Offenbar hatte Christos Bemerkung über ihren Vater, den Kommunisten, nicht allzu großen Schaden angerichtet.
Nachdem Milla bezahlt hatte, ging sie nach vorn zum Kiosk und kaufte sich ein Päckchen Zigaretten und ein BIC-Feuerzeug. Zum ersten Mal nach achtzehn Jahren.
In der Leitstelle der PIA war auf dem großen Bildschirm das Foto eines farbigen Mannes im dunklen Anzug zu sehen, der aus einem Wagen stieg. Seine Kleidung war geschmackvoll; zum Anzug trug er ein weißes Hemd und eine graue Krawatte. Über seiner Schulter hing eine schwarze Reisetasche. Das Bild war grobkörnig und wies wenig Tiefenschärfe auf, was auf eine Aufnahme mit Teleobjektiv hinwies.
Janina Mentz und Tau Masilo betrachteten das Bild. Neben ihnen stand Masilos rechte Hand, Quinn, der Einsatzleiter. Er deutete auf den Monitor.
»Das ist ein Mitglied des Höchsten Rates, Shahid Latif Osman«, erklärte Quinn. »Man sieht ihn nicht oft im Anzug, normalerweise trägt er ein traditionelles muslimisches Gewand. Das Foto ist am Sonntag gegen halb eins vor einem kleinen Fünf-Sterne-Hotel in Morningside, Johannesburg, aufgenommen |44| worden. Dort hat Osman am Samstag unter dem Namen Abdul Gallie ein Zimmer gemietet. Hier ist er auf dem Weg zurück zum Flughafen. Zwanzig Minuten vor ihm hat dieser Mann …« Quinn klickte mit der Maus seines Laptops und ein weiteres Foto erschien. »… ebenfalls das Gebäude verlassen.« Ein Schwarzer, groß, elegant in dunkelblauem Sakko und grauer Hose, stieg vor dem Gästehaus auf der Beifahrerseite eines schwarzen BMW X5 aus.
»Wir haben ihn heute Morgen anhand des Kennzeichens identifiziert. Sein Name ist Julius Nhlakanipho Shabangu. Er nennt sich ›Inkunzi‹, was auf Zulu ›Bulle‹ bedeutet. Die meisten Informationen über ihn findet man in der Datenbank der Kripo, wo er in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen im Gauteng-Gebiet geführt wird. Er hat ein Strafregister, zwei Freiheitsstrafen wegen bewaffnetem Raubüberfall. Man verdächtigt ihn, der Kopf einer Bande von gewalttätigen Autodieben zu sein und hinter mehreren Straßenraubüberfällen der letzten Jahre zu stecken. Weitere Informationen befinden sich in den alten
Skerpioen -Akten
, aber es wird eine Weile dauern, an sie heranzukommen.«
»Einem Mitglied des Küchenpersonals zufolge haben sich Shabangu und Osman in der Bibliothek getroffen, hinter verschlossenen Türen«, sagte der Anwalt.
Quinn bestätigte dies, auf den Bildschirm zeigend: »Shabangu ist am selben Morgen um zehn Uhr vor dem Hotel erschienen. Seinen Chauffeur ließ er draußen warten. Zwei Stunden später ist er wieder herausgekommen, dicht gefolgt von Osman. Seit dem Abend zuvor hatte Osman das Hotel nicht verlassen.«
»Interessant«, bemerkte Janina Mentz.
»Es gibt keine Berichte über ein früheres Treffen der beiden«, fuhr Quinn fort. »Osman reist häufig nach Johannesburg, aber dann hauptsächlich zu Moscheen in Newton, Lenasia, Mayfair und Laudium. Shabangu wurde noch nie an einem dieser Orte gesehen.«
|45| »Ein neues Bündnis«, stellte Janina Mentz erfreut fest. Tatsächlich ein Fortschritt.
»Seltsame Bettgenossen«, bemerkte Tau Masilo.
»Ich nehme an, dass wir Shabangu von jetzt an observieren?« »In der Tat.«
Sie wollte sich eine Zigarette anzünden, bevor sie den Brief öffnete. Dann wurde ihr klar, dass sie keinen Aschenbecher besaß. Sie ging in die Küche, holte eine Untertasse, hielt das Feuerzeug an das Ende der Zigarette und inhalierte tief. Sie musste husten.
Sie rauchte die Zigarette ganz zu Ende und starrte dabei den Brief auf dem Wohnzimmertisch an. Widerstrebend griff sie schließlich danach und riss ihn auf.
Liebe Mama,
es tut mir sehr leid. Ich habe häsliche Sachen zu Dir gesagt und mich nicht entschuldigt. Ich habe Dich nicht respektiert, erst, als es schon zu spät war. Mama, ich habe meine Lektion gelernt, das verspreche ich Dir. Wenn Du mir verzeihen kannst, mache ich alles wieder gut. Das schwöre ich. Papa sagt, wenn ihr miteinander reden könntet, könnte sich alles wieder einrenken. Bitte, Mama, ich brauche Dich doch. Ich weiß nicht, was ich meinen Freunden sagen soll.
Ruf mich an, Mama.
Barend
Normalerweise war seine Handschrift schlampig, teilweise fast unleserlich. Doch hier, auf dem Papier, das er weiß Gott woher hatte, teuer und dünn, erkannte sie, dass er sich große Mühe gegeben hatte. Trotz des Orthographiefehlers.
Milla schob den Brief von sich weg, denn die Schuld und
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