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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Power …
    Er lehnte sich an den Honda, zog sein Handy heraus und rief Superintendent Johnnie October an, einen ehemaligen Kollegen, inzwischen Kripochef in Mitchells Plain.
    »Sup!«, sagte October. »Das ist aber eine schöne Überraschung.«
    »Ich bin kein ›Sup‹ mehr, Johnnie.«
    »Du wirst immer ›Sup‹ für mich bleiben. Wie läuft’s denn so in der Privatbranche?«
    »Im Moment kann ich noch nichts dazu sagen, dafür ist es noch ein bisschen früh. Und wie geht’s bei euch?«
    »Hier ist schwer was los, seitdem Tweetybird das Land verlassen hat. Der Kampf um die Macht eskaliert allmählich.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Tweetybird de la Cruz, Anführer der Restless Ravens, war vor vier Monaten außer Landes geflohen, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden war. Sowohl innerhalb der Ravens als auch zwischen den einzelnen Banden auf der Kaapse Vlakte waren daraufhin heftige Verteilungskämpfe um seine Geschäfte und sein Territorium entbrannt.
    »Vier Morde letzte Woche, drei davon Driveby-Shootings. |474| Kein Mensch will die alten Zeiten zurückhaben, Sup, aber es hat sich schon einiges verändert.«
    »Das stimmt, Johnnie. Aber ich will dich nicht aufhalten, ich habe nur eine kurze Frage: Wenn jemand eine Frau als ›Nissen‹ bezeichnet, was bedeutet das?«
    October lachte leise. »Tja, Sup, im Grunde sind doch alle Frauen Nissans.«
    »Nissans?«
    »Ja, Sup, wie das Auto. Nissan. Weißt du noch, der alte Werbeslogan?
We are driven.
Wenn man jemanden als Nissan bezeichnet, meint man, der oder die ist leidenschaftlich, getrieben.«
    »Aha …«
    »Es heißt, man solle lieber einen Toyota heiraten.«
    »Alles läuft wie von selbst?«
    »Genauso, Sup. Genauso.«
     
    Die Albertstraat in Woodstock wimmelte vor Lkws, Kleinlastern, Minibussen, Pkws und Menschen.
    Joubert steckte mitten in dem dichten Gewühl fest, kam nur im Schneckentempo voran und dachte an sein Gespräch mit Johnnie October. An sie beide, die mit der neuen Zeit nicht Schritt hielten. Anachronismen. Denn der Werbespruch von Nissan in Südafrika lautete längst nicht mehr
We Are Driven
, und Toyota hatte den Slogan
Alles läuft wie von selbst, jederzeit
durch irgendetwas anderes ersetzt, was sich kein Mensch mehr merken konnte. Als hätte Toyota vorhergesehen, dass sie Millionen von Fahrzeugen wegen erheblicher Mängel in die Werkstätten würden zurückrufen müssen.
    Was sagte es über ihn und Johnnie aus, dass sie ein wenig in der Vergangenheit lebten, als wäre das Leben ab einem gewissen Punkt an ihnen vorübergegangen? Markennamen, Slogans, Moden, Technik, all diese In-Sachen, die Themen des Tages, der Zwang, immer das Neueste und Beste zu haben, diese ohrenbetäubende, marktschreierische Kakophonie war irgendwann zu einem weißen Rauschen verschmolzen, dessen er sich kaum |475| mehr bewusst war. Er war fünfzig, October zehn Jahre älter. Wann war es geschehen? Irgendwann Ende vierzig? Vielleicht, als man irgendwann meinte, die Nachrichten im Radio schon einmal gehört zu haben. Und die Reklamebotschaften. Und die Schlagzeilen über menschliche Kämpfe und Bestrebungen, Siege und Niederlagen. Man kannte die Entwicklungsphasen von Gruppen, Ländern, Regionen und Kontinenten. Alles wandelte sich, alles blieb beim Alten – was abhanden kam, war die Fähigkeit zu staunen, das war das Tragische.
    Joubert verlagerte seine Aufmerksamkeit nach draußen, sah den Verkehr, sah die Gebäude. Woodstock erinnerte ihn an das Goodwood seiner Jugend – die etwas heruntergekommenen ein- und zweigeschossigen Häuser mit Wellblechdächern, hübschen Vorderfronten und Säulen, die Tante-Emma-Läden in Familienbesitz, die alles anboten, von Halal-Fleisch bis zu Billigzigaretten, Rasenmäher, Fish & Chips, gebrauchte Möbel, Aufpolsterservice, Anhängerkupplungen. Leute auf den Bürgersteigen, die rannten, liefen, standen, quatschten, Geschäfte machten, günstige Gelegenheiten suchten. Muslime mit Fez, Fischer mit Wollmützen, Xhosas mit Kopftüchern, Weiße mit Glatzen, alle friedlich nebeneinander, farbenblind, wie die Voortrekkerstraat in den Sechzigern, bevor der ganze Schlamassel losging.
    Doch auch hier würde es nicht so bleiben. Zwischen den alten Fassaden, von denen die hübschen Pastellfarben hier und da abblätterten, brüllte die Maschinerie des Fortschritts: Restaurants in grellen Farben, neue Boutiquen,
CQINZ Fashion, Mannequins Unlimited
. Weiter hinten die alte Biscuit Mill, frisch gestrichen in einem hässlichen

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