Rote Spur
am Telefon davon erzählt, schon gestern vor dem Mittagessen. Er hat es von Oom Diederik gehört.« In der Bo-Karoo gab es keine Geheimnisse.
Ich schüttelte nur den Kopf.
»Ich dachte, das wären Freunde von dir«, bemerkte Floh.
»Mit der Freundschaft ist es jetzt wohl vorbei.«
Lourens Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das Lachen stieg ganz allmählich in ihm auf, bis er den Kopf in den Nacken warf und laut losplatzte, so dass er Floh ansteckte und sie schließlich mitlachte. Mir war nach Lächeln zumute, auch wenn mein Gesicht entschieden protestierte, denn in diesem Moment war ich mir sicher, dass sie es schaffen würden, die vergangene Nacht zu verarbeiten.
Floh drängte Lourens, ihr die ganze Geschichte zu erzählen, denn ich weigerte mich. Es war interessant, sie zu hören, nachdem |186| sie die stille Post Loxtons durchlaufen hatte. Aus den vier Bikern waren sechs geworden. Die Worte »Schweinehunde« und »Hell’s Angels« fielen – wobei der Stahlgraue zumindest von letzterer Bezeichnung geschmeichelt gewesen wäre. Sie hätten Tannie Wilna und Emma »tödlich beleidigt«. Und Diederik Brand hätte mich gerade noch rechtzeitig daran gehindert, zuzuschlagen, sonst hätte es in der Rooi Granaat »eine Riesenprügelei« gegeben.
Lemmer, der Held von Loxton.
»Das sind keine Hell’s Angels«, berichtigte ich, nachdem er ausgeredet hatte.
»Was denn?«, fragte Floh.
»Reiche Afrikaner.«
»Was hast du gegen reiche Afrikaner?«, fragte Floh empört.
Ich schüttelte den Kopf, denn ich hatte keine Lust, es ihr näher zu erklären.
»Komm schon«, bohrte sie. »Bist du neidisch oder was?«
»Das spielt bestimmt eine Rolle.«
»Und was noch?«
Ich seufzte, denn ich hatte keine Lust auf diese Unterhaltung.
»Jetzt komm schon!«
»Ich kann das nicht ausstehen, dieses Jammern auf hohem Niveau.«
»Wie meinst du das?«
»Die hocken hinter den hohen Mauern ihrer protzigen Villen, rundum geschützt von Alarmanlagen, sie sitzen vor ihren Surroundsound-High-Definition-Breitbildfernsehern und schlingen Fertigessen in sich hinein. In ihrer Dreiergarage drängen sich ein Mercedes ML, zwei Quads, eine Harley und ein Motorboot, und die beschweren sich darüber, wie schlecht es uns in Südafrika geht.«
»Aber uns geht es wirklich schlecht.«
»Denen? Dass ich nicht lache. Das Entscheidende ist aber, dass sie nichts unternehmen. Sie gehen nicht wählen, sie mischen |187| sich nicht ein und behaupten, sie könnten ja sowieso nichts ändern. Dabei lauern sie wie die Geier darauf, dass die Regierung einen Fehler macht, um dann sagen zu können: Na also, ich habe es euch doch prophezeit. Sie sind rassistisch, aber zu feige, um es offen zu zeigen. Sie beklagen sich über die Kriminalität, doch keiner von ihnen hat je daran gedacht, eine Bürgerwehr auf die Beine zu stellen oder Reservepolizist zu werden. Sie sind unkultiviert, können nur Geld ausgeben und saufen. Sie haben Angst vor allem und jedem. Ausgerechnet sie … Ihre Vorfahren, die bei Magersfontein und Modderrivier gekämpft haben, würden sich im Grab umdrehen!«
Floh schwieg lange und sagte dann: »Sie sind aber nicht alle so.«
»Stimmt«, sagte ich, denn Emma war eine Ausnahme.
Floh nickte, offenbar zufrieden.
Ihre Gespräche gerieten in einen natürlichen Fluss, einen Rhythmus. Ich wurde zum fünften Rad am Wagen, Beobachter der aufkeimenden Freundschaft zwischen ihnen. Sie war ein paar Jahre älter als Lourens, kämpfte vielleicht mit ein paar Dämonen mehr, aber ihr Hochmut war verschwunden. Vielleicht, weil sie jetzt wusste, wie und wer er war. Das geteilte Trauma spielte sicher auch eine Rolle und schuf eine Basis.
Deshalb zog ich mich zurück, überließ sie sich selbst und bereitete mich auf das Wiedersehen mit Diederik Brand vor. Emma würde dort sein. Ich würde mich zurückhalten müssen.
Wir hielten noch zwei Mal an. In Britstown, wo wir Pasteten aßen und etwas Kühles tranken, und in Victoria-Wes, um ein letztes Mal die Nashörner zu spritzen. Floh war besorgt. »Sie sind müde und durstig. Der Bulle erholt sich bestimmt wieder, aber die Kuh …«
Um kurz nach sechs fuhren wir durch Loxton, wo Birnenblüten die Straßen bedeckten wie frisch gefallener Schnee. Lourens rief Nicola an und gab ihm einen Lagebericht durch, schlug dann den kürzesten Weg über Slangfontein und durch Sakrivierpoort |188| ein, bis wir bei der nächsten Kreuzung ein letztes Mal links abbogen nach Skuinskop, der Farm Diederik Brands in den
Weitere Kostenlose Bücher