Rote Spur
Nuweveldbergen, am Rand des Karoo-Nationalparks.
33
Um ein spezifisches Zeichen zu erkennen, macht sich ein Spurenleser oft ein Bild davon, wie solch ein typisches Zeichen auszusehen hat.
Grundzüge des Spurenlesens: Die Erkennung von Zeichen
Sie erwarteten uns vor dem großen Haus – Diederik Brand, seine Frau Marika, Emma und eine Schar Arbeiter. Diederik hatte nur Augen für die Nashörner und machte sich sofort daran, die Ladeklappen zu öffnen. Emma trat voller Freude an meine Tür. Als ich ausstieg und sie mein Gesicht sah, verwandelte sich ihre Freude in Entsetzen. »Was ist passiert?«
»Wir hatten ein wenig Pech«, sagte ich.
»Ein wenig?«
Mit einem Blick in Brands Richtung sagte ich: »Ich erzähl’s dir später.«
»Seid ihr …?«
»Nein, nichts Ernstes.«
Sie zögerte kurz, bevor sie mich umarmte. »Gott sei Dank«, seufzte sie. »Gott sei Dank.«
»Ach du Schande!«, rief Brand von hinten. »Wo ist Cornél? Die Tiere sind ja krank!«
»Sie haben nekrolitische Dermatitis«, erklärte Floh und sprang ebenfalls heraus. »Wir müssen sie so schnell wie möglich abladen und beruhigen.«
Erst da kam er hinter dem Lkw hervor. »Na, dann los«, sagte er, »der Auslauf ist gleich dahinten …« Da sah er, wie ich zugerichtet war. »Lemmer! Was ist denn passiert?«
»Lass uns erst abladen, dann unterhalten wir uns«, sagte ich.
|189| Beim Klang meiner Stimme erstarrte Emma in meinen Armen.
Sein »Arbeitszimmer« war ein einziges Chaos. Ein großer Schreibtisch mit Computer, Dokumente unordentlich gestapelt. Gerahmte Fotos an der Wand, die Vorfahren, Zuchtwidder, Jagdgesellschaften und seine schöne blonde Frau Marika als Wollkönigin in ihrer Jugend zeigten. Ein Mahagoni-Bücherregal mit dekorativen Öllampen, Ordner, Handbücher über Landwirtschaft und Geldanlagen sowie eine große Sammlung alter Ausgaben des
Landbouwweekblads
. In der Ecke stand eine Golftasche aus abgewetztem Leder, aus der die Köpfe antiker Schläger ragten. Diederik saß mit ausgestreckten Beinen auf der Kante seines Schreibtischs, die Arme verschränkt, in der Defensive. Ich setzte mich auf den Rand des Sofas. Es war mit Nguni-Fellen bezogen, braun mit weißen Punkten.
»Diederik, du hast mich angelogen«, sagte ich.
»Nein! Die Sache ist mir ein Rätsel!«, entgegnete er, denn während des Abladens hatte er Lourens die ganze Geschichte Stück für Stück aus der Nase gezogen. Dabei hatte er mir besorgte Blicke zugeworfen.
»Du lügst.«
»Ich schwöre es, Lemmer!« Das sagten sie immer am Anfang.
»Diederik, ich habe keine Lust auf Spielchen. Ich kenne die Geschichten über dich. Du bist ein Halunke und ein Lügner. Und du hast mein Honorar noch nicht bezahlt, daher bist du nicht mein Kunde. Du hast die Wahl. Entweder du redest, oder du blutest.«
»Mensch, Lemmer, glaub mir, das alles ist ein Riesenmissverständnis«, behauptete er, die Hände in Unschuld erhoben, mit maximaler Charmeoffensive. »Zum Bezahlen bin ich einfach noch nicht gekommen, ich erledige das gleich anschließend. Und dieser Überfall …«
Ich seufzte und stand auf.
»… wenn sie die Hörner nicht wollten …«, sagte Diederik. »Ich meine, was in aller Welt … Das … das verstehe ich einfach nicht!«
|190| Ich ging zur Golftasche und wählte einen Schläger mit dickem Holzkopf, denn nach dem Zusammenstoß mit den Bikern taten mir die Fingerknöchel weh.
»Das ist kein Spiel, Diederik. Das läuft hier nicht so wie bei deinem Toyota-Lkw-Deal.«
»Welchen Toyota? Ach, Lemmer, über mich sind so viele Gerüchte in Umlauf, davon stimmt doch nur die Hälfte.«
Da mochte er durchaus recht haben. Ich holte aus, schwang den Schläger und zielte dabei auf seine Rippen. Für einen so dicken Mann bewegte er sich erstaunlich behände. Ich verfehlte ihn. »Lemmer, bitte!«, sagte er und eilte zur Tür. Ich erwischte ihn am Hemd und riss ihn zurück. Dann ging ich zur Tür, schloss sie ab und steckte den Schlüssel in die Tasche.
»He, Kumpel, bitte …« Seine Augen waren weit aufgerissen, der Charme bröckelte ab.
»Hat Lourens dir erzählt, wie sie ihm einen Revolver an den Kopf gehalten haben? Nachdem sie dem, den wir über den Haufen gefahren hatten, den Kopf weggeblasen hatten?«
»Nein …«
»Weil er zu anständig ist, Diederik. Er hätte dir sagen sollen, wie es sich anfühlt, wenn man den Schuss hört und glaubt zu sterben. Dieser Laut, den man ausstößt, die Angst, die Erniedrigung, wenn sie absichtlich danebengeschossen
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