Rote Spur
um die Plastikhalter anfertigen zu lassen, die Straßenblockaden zu manipulieren und unbehelligt die Grenze zu passieren. Falls Ehrlichmann recht hatte.
»Ich habe die Nashörner beobachtet, wir vereinbarten ein endgültiges Datum für das Einfangen, und letzte Woche war es schließlich so weit. Sie hat die Tiere mit Pfeilen betäubt, wir haben sie verladen, und weg war sie. Ziemlich unspektakulär im Grunde. Und die beiden Spitzmäuler waren in hervorragendem Zustand, als sie mit ihnen von hier aus losgefahren ist.« Er deutete mit einem Finger auf die schmale, unbefestigte Straße, die aus dem Lager hinausführte.
»Als sie losgefahren ist?«, fragte ich.
»Richtig.«
»Sie hatte keinen Fahrer?«
»Sie sagte, in Kwekwe würde ein Ersatzfahrer auf sie warten. Das liegt ungefähr hundertfünfzig Kilometer von hier entfernt.«
43
Jeder Mensch besitzt eine individuelle Eigenart in seinem Gang, wodurch seine Trittsiegel eine typische »Signatur« aufweisen.
Die Kunst des Spurenlesens: Einführung
Ich konnte nicht schlafen. Ich lag im Zelt und lauschte den Geräuschen Afrikas, erkannte das Heulen eines Schakals. Alle anderen Laute waren undefinierbar – Vögel, Insekten, Nachttiere, |245| die im Dunklen ihr geheimes Leben führten. Wie so viele von uns.
Bevor wir das heruntergebrannte Lagerfeuer endgültig verließen, hatte ich Ehrlichmann noch zwei Fragen gestellt. Erstens, ob Floh jemals von ihrem Zuhause oder ihrer Herkunft erzählt habe.
»Merkwürdig, dass Sie mich danach fragen«, antwortete er. »Denn in der Nacht, bevor wir die Nashörner fingen, habe ich mich genau danach erkundigt. Da deutete sie auf ihre rote Tasche und erwiderte: ›Das ist mein Zuhause.‹ Nein, sagte ich, ich meinte, wo sie aufgewachsen sei. Da stieß sie ein raues Lachen aus und antwortete: ›Im Fegefeuer.‹ Was sie damit meinte, blieb mir unklar.«
Dann fragte ich ihn nach Diederik Brand und den Kvaerner-Kisten.
»Nun …«, sagte er und schaute in sein Glas, als enthalte es etwas Bedeutsames, »das ist eben Afrika.«
Ob er gewusst habe, dass es Waffen seien?
»Ja, ich wusste es.«
Wohin diese Kisten unterwegs gewesen seien?
Da stand er auf, schon etwas unsicher auf den Beinen, und sagte zu mir: »Kommen Sie.«
Er nahm eine Öllaterne von einem der Tische und stapfte durch den Staub davon. Ich folgte ihm, Lotter blieb sitzen.
Sein Weg führte ihn weg von den Zelten und den Hügel hinauf. Hinter dunklen Dornakazien und einem Felsvorsprung, versteckt im schwarzen Schatten der Bäume, lagen zwei niedrige Wellblechcontainer, wie Baugesellschaften sie oft als provisorische Arbeitsunterkünfte nutzten. Sie waren schmutziggrün gestrichen, wobei man die lieblosen Pinselstriche noch deutlich erkennen konnte. Die Flügeltüren des einen standen offen. Im schwachen Licht der Öllampe erkannte ich zwei Land Rover, von denen einer auf Holzklötzen stand. Ersatzteile, alte Reifen, Werkzeug. Ehrlichmann ging auf die andere Hütte zu, ließ mich die Lampe halten, holte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche, |246| klapperte damit herum und schloss die Tür auf. Nachdem er sie geöffnet hatte, übernahm er wieder die Lampe und trat ein. Er hob eine Segeltuchplane an, Staub wirbelte im Lichtstrahl der Lampe auf.
Unter der Plane stapelten sich die Kisten.
»Hier sind sie.«
Ich sah sie mir an. Die Deckel zweier Kisten waren lose, alle anderen noch fest verschlossen. Ehrlichmann hob einen Deckel an. Die Gewehre waren in Styropor verpackt. Zwischen ihnen klafften Lücken, wo bereits Waffen entnommen worden waren.
»Sollen sie verkauft werden?«
»Wollen Sie eine?«
»Hängt vom Preis ab.«
»Bedienen Sie sich. Sie kosten nichts.«
Ich starrte ihn an. Er grinste über mein ungläubiges Gesicht, bückte sich, nahm eine MAG7 heraus, öffnete eine andere Kiste, griff nach einer Schachtel Munition und drückte mir alles in die Arme. Dann zog er die Plane wieder herunter und verließ die Hütte. Draußen stellte er die Lampe auf den Boden und schloss umständlich ab. Dann kehrten wir zurück. Auf halbem Wege blieb er stehen, hielt die Lampe hoch und sah mich an. »Sie sind schon erstaunlich, wissen Sie. So rechtschaffen«, sagte er ohne jeden sarkastischen Unterton, sondern als reine Feststellung. Bevor er weiterging, drehte er sich noch einmal zu mir um. »Ich glaube aber, dass Sie Ihre eigenen Dämonen haben.« Er hob die andere Hand und für einen kurzen, surrealistischen Augenblick glaubte ich, er wollte mich schlagen. Doch
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