Roter Drache
Körper saß ein Kopf mit einem jungenhaften Gesicht. Er war bekleidet mit einem T-Shirt und Jeans, die über dem Inhalt seiner Taschen weiß abgewetzt waren. Seine Arme strotzten vor Muskeln, und er hatte häßliche, große Hände. Eine professionell ausgeführte Tätowierung auf seinem linken Unterarm wies ihn als ›zum Ficken geboren‹ aus. Auf seinen anderen Arm war in ungelenker Knastmanier ›Randy‹ tätowiert. Sein kurzer Gefängnishaarschnitt war unregelmäßig länger geworden. Als er seinen Finger nach einem erleuchteten Druckknopf der Musikbox ausstreckte, fiel Graham ein kleiner rasierter Fleck auf seinem Unterarm auf. Grahams Magen durchfuhr ein kurzer, eisiger Schauder.
Er folgte Niles Jacobi und ›Randy‹ durch das dichte Gedränge im Lokal nach hinten, wo sich die beiden an einen Tisch setzten.
Graham blieb einen halben Meter vor ihnen stehen.
»Niles, mein Name ist Will Graham. Ich hätte Sie gern mal kurz gesprochen.«
Randy sah mit einem breiten, falschen Lächeln auf. Einer seiner Schneidezähne war abgestorben. »Kenne ich Sie?«
»Nein. Niles, ich möchte mit Ihnen sprechen.«
Niles hob fragend eine Augenbraue. Graham fragte sich, was wohl in Chino aus ihm geworden war. »Wir haben gerade was Wichtiges zu besprechen«, schaltete sich Randy wieder ein. »Verpissen Sie sich.« Graham betrachtete nachdenklich die gezeichneten muskulösen Unterarme, das kleine Stück Heftpflaster in der Armbeuge, den kleinen ausrasierten Fleck, wo Randy die Schneide seines Messers getestet hatte. Das Abzeichen eines Messerstechers.
Ich habe Angst vor Randy. Zeig dem Kerl ordentlich die Zähne oder tritt den Rückzug an.
»Haben Sie nicht gehört?« zischte Randy. »Sie sollen sich verpissen.«
Graham knöpfte seine Jacke auf und legte seine Dienstmarke auf den Tisch.
»Sie bleiben vorerst mal schön still sitzen, Randy. Sollten Sie aufzustehen versuchen, werden Sie gleich einen zweiten Nabel bekommen.«
»Entschuldigung, Sir.« Die übliche falsche Knastvogelhöflichkeit.
»Randy, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einen kleinen Gefallen tun könnten. Greifen Sie gleich mal in Ihre linke Gesäßtasche - aber nur mit zwei Fingern. Dort werden Sie ein Messer mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge vorfinden, an der ein kleiner Schleifstein befestigt ist. Und dann legen Sie das Messer bitte auf den Tisch... Danke.«
Graham ließ das Messer in seiner Jackentasche verschwinden; es fühlte sich schmierig an.
»Und nun zu Ihrer anderen Gesäßtasche. Dort steckt Ihr Geldbeutel. Holen Sie ihn ebenfalls raus. Sie haben doch heute Blut gespendet, nicht wahr?«
»Na und?«
»Nehmen Sie den Kontrollabschnitt raus, den Sie vorweisen müssen, wenn Sie nächstes Mal wieder Blut spenden. Legen Sie ihn auf den Tisch.«
Randy hatte Blutgruppe null. Er konnte also von der Liste gestrichen werden. ;.»Wann sind Sie aus dem Gefängnis entlassen worden?«
»Vor drei Wochen.«
»Wer ist Ihr Bewährungsgshelfer?«
»Ich bin nicht auf Bewährung raus.«
»Das halte ich für eher unwahrscheinlich.« Graham wollte es Randy ordentlich zeigen. Er hätte ihm den Besitz eines Messers anlasten können, dessen Klinge die zulässige Länge überschritt. Außerdem verstieß es gegen die Bewährungsbestimmungen, sich in einem Lokal aufzuhalten, in dem Alkohol ausgeschenkt wurde. Graham war sich bewußt, daß er auf Randy sauer war, weil er ihm Angst eingejagt hatte.
»Randy.«
»Ja. «
»Verschwinden Sie.«
»Ich weiß nicht, was ich Ihnen groß erzählen könnte; ich kannte meine Familie nicht sonderlich gut.« Niles Jacobi saß neben Graham auf dem Vordersitz des Mietwagens. Sie fuhren zur Schule zurück. »Er hat Mutter verlassen, als ich drei war, und danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Mutter wollte das nicht.«
»Aber er ist Sie doch letztes Frühjahr besuchen gekommen?« »Ja.«
»In Chino.«
»Ach, darüber wissen Sie also auch Bescheid.«
»Ich wollte nur keine Mißverständnisse aufkommen lassen.
Und was war damals?«
»Na ja, da saß er also im Besuchsraum und gab sich Mühe,
nur ja nichts nach links oder rechts zu schauen - die meisten
Leute führen sich dort auf, als wären sie im Zoo. Mutter hat mir
viel von ihm erzählt, aber so einen üblen Eindruck hat er eigentlich gar nicht gemacht. Er war nichts weiter als irgend so ‘n
stinknormaler Typ in ‘ner schicken Sportjacke.«
»Was hat er gesagt?«
»Na ja, ich dachte, er würde gleich ordentlich loslegen und
mir die Leviten lesen oder vor Schuldgefühlen halb
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