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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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zu ihr zu sein.
    »Ich bin froh, daß du dabei warst«, sagte er. »Ich wollte wissen, worauf ich mich einstellen muß.«
    »Du denkst an Doug Carey?«
    »Es geht nicht nur um Carey. Ich habe dir noch nicht gesagt, Toby, daß ich nächsten Donnerstag an der Sitzung des Springer-Verwaltungsrats teilnehmen soll. Ich wußte, daß das auf mich zukommt. Carey hat Freunde im Verwaltungsrat. Und er möchte Blut fließen sehen.«
    »Das will er seit Monaten – seit der kleine Freitas tot ist.«
    »Ja, und jetzt sieht er die Gelegenheit, es dir heimzuzahlen. Die Slotkin-Geschichte ist öffentlich gemacht worden, und der Verwaltungsrat wartet nur darauf, sich alle Beschwerden anzuhören, die Carey über dich vorbringt.«
    »Meinst du, die haben Bestand?«
    »Wenn ich das glaubte, Toby, hätte ich dich nicht in meinem Stab. Das meine ich wirklich so.«
    »Das Problem ist nur«, seufzte sie, »daß ich diesmal tatsächlich einen Fehler gemacht haben könnte. Ich habe keine Vorstellung, wie Harry Slotkin verschwinden konnte, wenn er angebunden gewesen war. Was wohl bedeutet, daß ich ihn unangeschnallt zurückgelassen haben muß. Ich kann mich einfach nicht erinnern …« Ihre Augen waren wie verklebt, aus Mangel an Schlaf, und der Kaffee rumorte in ihrem Magen. Jetzt beginnt bei
mir
der Gedächtnisverlust, dachte sie. Ist das schon ein erstes Anzeichen der Alzheimerschen Krankheit? Ist das nun schon der Anfang vom Ende? »Ich denke die ganze Zeit an meine Mutter«, sagte sie. »Und wie ich mich fühlen würde, wenn
sie
draußen in den Straßen herumirrte. Wie wütend ich auf die Leute wäre, die für sie verantwortlich sind. Ich war sorglos und habe einen hilflosen alten Mann in Gefahr gebracht. Harry Slotkins Familie hat jedes Recht, mich zu belangen und mir ihre Anwälte auf den Hals zu hetzen. Ich warte nur darauf, wenn es losgeht.«
    Weil Paul schwieg, sah sie ihn an.
    Ruhig sagte er: »Ich glaube, ich muß es dir jetzt sagen.«
    »Was?«
    »Seine Familie hat schon eine Kopie des Notaufnahmeberichts angefordert. Heute morgen haben sich ihre Anwälte bei uns gemeldet.«
    Sie sagte nichts. Aus dem Rumoren in ihrem Magen war regelrechte Übelkeit geworden.
    »Das bedeutet nicht, daß sie gegen dich nun auch Anzeige erstatten«, sagte Paul. »Zum ersten braucht die Familie kaum das Geld. Und die Umstände könnten sich als zu peinlich herausstellen, als daß man damit an die Öffentlichkeit wollte. Ein Vater, der nachts nackt durch den Park läuft …«
    »Wenn sie Harry tot auffinden, bin ich sicher, daß sie klagen werden.« Sie barg den Kopf in den Händen. »O Gott. Es wäre mein zweites Verfahren binnen drei Jahren.«
    »Das letzte war eine Pleite für die Gegenseite. Du hast glatt gewonnen.«
    »Diesmal werde ich es nicht.«
    »Slotkin ist sechsundsiebzig Jahre alt – ein langes Leben hat er also nicht mehr vor sich. Das kann die finanziellen Forderungen begrenzen helfen.«
    »Sechsundsiebzig ist nicht so alt! Er könnte noch Jahre zu leben haben.«
    »Aber als man ihn zu euch in die Notaufnahme brachte, war er offensichtlich krank. Wenn man seine Leiche findet und zeigen kann, daß er an einer lebensbedrohlichen Krankheit litt, schlägt sich das vor Gericht zu deinem Vorteil nieder.«
    Sie rieb sich das Gesicht. »Das ist das letzte, wo ich erscheinen möchte. Vor Gericht.«
    »Darum machen wir uns erst Gedanken, wenn es soweit ist. Im Augenblick ist anderes gefragt. Wir wissen, daß die Medien schon Bescheid wissen, und die lieben Schauergeschichten aus dem Ärztemilieu. Wenn der Verwaltungsrat sich von der Öffentlichkeit unter Druck gesetzt fühlt, bin
ich
es, den sie vorschicken. Ich werde alles tun, um dich zu schützen. Aber auch ich bin ersetzbar, Toby.« Er machte eine Pause. »Mike Esterhaus hat bereits sein Interesse bekundet, Chef der Notaufnahme zu werden.«
    »Das käme einer Katastrophe gleich.«
    »Er wäre auf jeden Fall der pflegeleichte Jasager. Er würde nicht kämpfen, wie etwa ich es tue. Jedesmal, wenn sie auch nur versuchen, uns eine unserer Schwestern aus dem Team zu nehmen, schreie ich schon laut auf. Mike dagegen würde sich nett und freundlich fügen.«
    Zum erstenmal ging ihr jetzt auf:
Ich reiße Paul mit in den Strudel.
    »Das einzige, worauf wir hoffen können«, sagte Paul, »ist, daß sie den Patienten finden. Das würde die Krise entschärfen. Keine neugierige Presse mehr, kein drohendes Gerichtsverfahren.
    Er muß einfach gefunden werden – wohlauf und gesund.«
    »Was jede Stunde

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