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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ins Haus, ohne sie noch einmal anzusehen.
Sie bestraft mich,
dachte Toby.
Macht mir ein Schuldbewußtsein, weil ich die Nerven verloren habe.
    »Toby«, sagte Vickie und ging mit ihr die Stufen zum Wagen hinunter. »Nächstes Mal brauche ich eine längere Vorwarnung. Bezahlen wir übrigens nicht Bryan für so etwas?«
    »Ich konnte ihn nicht erreichen. Deine Kinder sind bald daheim, die können dann auf sie aufpassen.«
    »Das werden sie kaum wollen!«
    »Dann biete ihnen eben Geld dafür. Deine Kinder scheinen den Wert des allmächtigen Dollars durchaus zu schätzen.« Toby knallte die Wagentür zu und warf den Motor an.
Warum, zum Teufel, sage ich so etwas?
dachte sie, als sie losfuhr.
Nun beruhige dich wieder. Ich muß mich wieder fangen und mich auf die Sitzung konzentrieren.
Aber mit Vickie hatte sie es sich gründlich verdorben. Ihre Schwester war jetzt sauer auf sie, und Ellen war es auch. Vielleicht war die ganze verdammte Welt sauer auf sie.
    Ganz plötzlich überfiel sie der Gedanke, einfach Gas zu geben und weiterzufahren, irgendwohin, all das hier hinter sich zu lassen. Eine neue Identität zu finden, eine neue Stadt, ein neues Leben. Ihr jetziges war ein Chaos, und sie wußte nicht, wessen Schuld das war. Sicherlich nicht allein ihre. Sie versuchte doch nur, das Beste aus allem zu machen.
    Um zehn nach zwei war sie auf dem Parkplatz am Springer Hospital. Zeit, sich zu sammeln, hatte sie nicht mehr. Die Sitzung war bereits im Gange, und sie wollte nicht, daß Douglas Carey sich in ihrer Anwesenheit über sie das Maul zerriß.
    Wenn er sie angriff, war sie lieber dabei und verteidigte sich selbst. Sie eilte direkt zum Verwaltungsflügel und dort in den ersten Stock zum Konferenzraum.
    Bei ihrem Eintreten stockte sofort das Gespräch.
    Sechs Personen saßen um den Tisch, und einige Gesichter sahen sie durchaus freundlich an. Paul Hawkins. Maudeen und Val. Toby nahm den Stuhl neben Val und saß jetzt Paul gegenüber, der sie schweigend mit einem Kopfnicken begrüßte.
    Wenn sie schon jemanden ansehen mußte, dann lieber einen gutaussehenden Mann. Dr. Carey würdigte sie kaum eines Blickes. Er saß am Ende des Tischs, aber die Feindseligkeit, die er ausstrahlte, war kaum zu übersehen. Er war in mehr als einer Hinsicht ein kleiner Mann und kompensierte seine Kleinwüchsigkeit mit einer Haltung, als habe er einen Spazierstock verschluckt, und mit einem drohend-direkten Blick. Ein gemeiner kleiner Chihuahua. Im Augenblick sah er Toby direkt an.
    Sie ignorierte Carey und richtete ihren Blick statt dessen auf Ellis Corcoran, den Chefarzt der Chirurgie. Sie kannte Corcoran nicht besonders gut und fragte sich, ob das überhaupt jemand im Springer tat. Ganz steifer und reservierter Yankee, war es schwer, hinter seine Fassade zu dringen. Emotionen zeigte er selten, und auch heute sah man ihm nichts davon an. Auch nicht der Verwaltungsdirektorin des Krankenhauses, Ira Beckett, die mit ihrem sich wölbenden Bauch direkt an der Tischkante klebte. Das Schweigen dauerte etwas zu lange, um tröstlich zu sein. Ihre Handflächen waren feucht. Sie wischte sie unter dem Tisch an ihren Hosenbeinen ab.
    Ira Beckett ergriff das Wort. »Was haben Sie gerade gesagt, Ms. Collins?«
    Maudeen räusperte sich. »Ich habe mich bemüht, Ihnen zu erklären, daß alles auf einmal passierte. Wir hatten diesen Notfall im Behandlungsraum. Der erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir hielten den Zustand von Mr. Slotkin für stabil genug …«
    »Sie haben sich also nicht um ihn gekümmert«, sagte Carey.
    »Das stimmt nicht.«
    »Wie lange
haben
Sie ihn denn allein gelassen?« fragte Beckett. Maudeen sah Toby mit einem stummen Blick an:
Hilf mir doch weiter.
    »Ich habe Mr. Slotkin als letzte gesehen«, sagte Toby. »Das war gegen fünf, Viertel nach fünf. Und es war etwas nach sechs, als ich merkte, daß er weg war.«
    »Sie haben ihn also fast eine Stunde unbeaufsichtigt gelassen?«
    »Er sollte als nächstes zum CT. Wir hatten in der Röntgenabteilung bereits angerufen. In dem Moment konnten wir nichts anderes mehr für ihn tun. Wir wissen noch immer nicht, wie er es geschafft hat, aus dem Zimmer zu kommen.«
    »Weil Sie und Ihre Leute nicht auf ihn aufgepaßt haben«, sagte Carey. »Sie haben ihn ja nicht einmal fixiert.«
    »Er
war
fixiert«, sagte Val. »An Hand- und Fußgelenken!«
    »Dann muß er ja eine Art Entfesselungskünstler, ein neuer Houdini sein. Niemand kommt aus Vierpunktgurten wieder heraus. Oder hat jemand vergessen,

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