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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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erkannte Kenneth Foley, den Vorstandsvorsitzenden der Brant Hill Corporation, auf dem Podium.
    Das Licht im Saal wurde abgedunkelt, und auf der Leinwand über Foleys Kopf erschien ein Dia. Es war das Logo von Brant Hill, ein barock-verschlungenes B und H, und darunter stand:
Wo gutes Leben höchster Lohn ist.
    »Ein abstoßender Slogan«, flüsterte Greta. »Warum sagen sie nicht einfach:
Wo die reichen Leute leben?
«
    Brace stieß warnend gegen ihr Knie. Natürlich war er ihrer Meinung, aber man spuckte nicht solche sozialistischen Sprüche in Gegenwart des hier versammelten Nerz- und Juwelen-Klüngels.
    Oben auf dem Podium begann Foley mit seiner Präsentation.
    »Vor sechs Jahren war Brant Hill noch nicht mehr als ein Projekt. Und gewiß nicht mit einem einzigartigen Konzept. Die Amerikaner werden immer älter, und so entstehen überall in den Vereinigten Staaten Orte, an denen Ruheständler zusammenleben. Was Brant Hill so einmalig macht, ist nicht das Konzept, sondern seine
Ausführung. Es
ist die Höhe des Standards, auf der wir uns unseren
Traum
erfüllen.«
    Ein neues Dia wurde gezeigt: Ein Foto von der gesamten Anlage von Brant Hill mit dem Teich im Vordergrund und den sanften Hügeln dahinter, über die sich der Golfplatz bis in den weichen Dunst des Hintergrundes verlor.
    »Wir wissen, daß dieser
Traum
nichts zu tun hat mit einem komfortablen Alter, gefolgt von einem komfortablen Tod. Dieser Traum hat etwas mit dem
Leben
zu tun. Mit Anfängen, nicht mit dem Ende.
Das
ist es, was wir unseren Kunden zu bieten haben. Wir haben den Traum Wirklichkeit werden lassen.
    Und sehen Sie sich an, wie weit wir gekommen sind! Brant Hill, Newton, wird ausgebaut. Brant Hill, La Jolla, ist ausverkauft.
    Und heute abend, am sechsten Jahrestag unserer Grundsteinlegung, stehe ich hier, um Ihnen die
aufregendste
Neuigkeit mitzuteilen.« Er schwieg bedeutungsvoll, auf der Leinwand über seinem Kopf erschien jetzt wieder auf königsblauem Hintergrund das Brant-Hill-Logo. »Morgen früh um acht Uhr«, sagte er, »gehen wir offiziell an die Börse. Ich nehme an, Sie wissen alle, was
das
bedeutet.«
    Geld,
dachte Brace und hörte das im Saal aufkommende aufgeregte Gemurmel. Für die Investoren der ersten Stunde brachte das einen Gewinn. Und für Brant Hill bedeutete es eine Finanzspritze, die neue Projekte in anderen Bundesstaaten nach sich ziehen würde. Kein Wunder, daß dazu Champagner auf den Tischen stand. Denn morgen früh würde die Hälfte der Anwesenden hier im Saal um ein gutes Stück reicher sein.
    Das Auditorium applaudierte laut.
    Greta tat es nicht, was Robbie mit leichtem Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm. Das alte Klischee von den sturen Rotschädeln traf auf seine Frau durchaus zu. Sie saß mit verschränkten Armen da, das Kinn vorgestreckt, das Bild einer beleidigten Sozialistin wie aus dem Bilderbuch.
    Die nächsten Dias wurden gezeigt und warfen ihr Licht in verschiedenen Farbtönen auf Gretas Gesicht. Fotos von Brant Hill in La Jolla, eine Ansammlung mediterran gestalteter Villen über dem Pazifik. Ein Foto des Health Club in Newton, wo ein Dutzend alternder Frauen in schicken Jogginganzügen Aerobic machte. Ein Blick auf das fünfte Grün in Newton, wo zwei Männer neben ihren Golfcarts mit den Segeltuchdächern posierten. Dann ein Foto von den Bewohnern beim Dinner im Restaurant des Country Clubs, mit Eiskübeln auf den Tischen, in denen der Champagner kühlte.
    Wo die reichen Leute leben.
    Brace wippte ungemütlich auf seinem Stuhl. Was mußte sich Greta bei alldem hier denken? Sich um reiche Leute zu kümmern war eigentlich nicht sein Lebensplan gewesen, als er Medizin studiert hatte. Doch damals hatte er nicht damit gerechnet, wie sehr die Darlehen drücken konnten, die er für sein Studium abzahlen mußte, was die Hypotheken für das Haus kosteten, gar nicht zu reden von den Rücklagen, die man für die Kinder und ihren späteren Collegebesuch bilden mußte. Er hatte sich nicht vorgestellt, daß er sich nun praktisch selber verkaufen mußte.
    Greta hatte mit übereinandergeschlagenen Beinen gesessen, und als sie sie jetzt wieder nebeneinanderstellte, rieb ihr Schenkel an Robbies. Er spürte plötzlich, wie ihn das irritierte. Sie sah die Dinge nicht aus seinem Blickwinkel. Sie war seine Frau, und sie konnte gleichzeitig zu
ihren
Prinzipien stehen. Er war derjenige, der für die Familie zu sorgen hatte, für Wohnung und Ernährung. Was war denn schlimm daran, sich um die Gesundheit der Reichen zu kümmern?

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