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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Auch die Reichen, wie jedermann, wurden krank, brauchten Ärzte und brauchten Mitgefühl.
    Und dafür bekamen sie ihre Rechnungen.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog sich physisch wie emotional von Greta zurück und starrte auf die Leinwand. Diesen Zweck hatte Ken Foley also mit dem Dinner in Wirklichkeit verfolgt – die Werbetrommel zu rühren, Öffentlichkeit herzustellen und die Nachfrage nach den neu auszugebenden Aktien zu steigern. Foleys Rede zielte auf eine weit größere Zuhörerschaft und auf weit mehr potentielle Investoren, als hier im Raum versammelt waren. Brant Hill mußte jetzt bereits auf den Bildschirmen der Börsenmakler im ganzen Land flimmern.
    Jedes Wort, das er hier sagte, würden die einschlägigen Medien brav weiterverbreiten.
    Das nächste Dia. Eine Entwurfsskizze des neuen Flügels der Pflegeabeilung, der gerade im Bau war. Gestern war die Bodenplatte gegossen worden, nächste Woche begänne man die zweite Baugrube. Errichtet würde das Gebäude so schnell wie möglich, aber die Nachfrage würde schneller wachsen.
    Damit hatte Foley das Produkt hinreichend beschrieben. Nun erläuterte er seine Marktchancen. Das nächste Dia beschrieb die Zunahme der Älteren in der Bevölkerung der USA, die Woge der mit der Zeit älter werdenden Babyboomer, die sich rollend vorwärtsbewegte wie das verschlungene Beutetier im Leib einer Schlange. Die
Ich-Generation
auf dem Weg vom rasanten Skifahrer zum ruhigen Wanderer. Das hier, sagte Foley, ist die Gruppe, die wir im Blick haben. Sein Zeigepfeil kreiste um dieses statistische »Beutetier« in der Schlange. Unsere künftige Kundschaft. Um das Jahr 2005 werden die Babyboomer in den Ruhestand gehen, und Brant Hill ist genau das, was sie für sich suchen werden. Wir reden hier über Wachstum – und über außerordentliche Renditen. Die Babyboomer sehen für ihr Leben eine aufregende neue Phase vor sich. Sie wollen sich keine Gedanken um Krankheit und soziale Unsicherheit machen. Viele von ihnen werden Ersparnisse zurückgelegt haben – und nicht gerade wenig. Sie werden alt werden, aber sie wollen sich nicht alt
fühlen.
    Und wer von uns will das schon?
dachte Brace. Wer von uns schaut nicht in den Spiegel und hat das unangenehme Gefühl, daß das Gesicht, das einen da anschaut, für einen selbst doch viel zu alt ist?
    Dessert und Kaffee erreichten auch ihre Dschungeloase. Greta schmeckte kritisch die Schlagsahne auf dem süßen Nachtisch, verzichtete dann aber darauf. Brace aß dafür gleich beide Kalorienbomben. Er hatte gerade den Mund voller Schlagsahne, als sein Name ins Mikrophon gesprochen wurde.
    Greta gab ihm einen Stoß. »Steh auf«, flüsterte sie. »Sie stellen die neuen Ärzte vor.«
    Brace sprang auf die Füße und kleckerte die Schlagsahne auf den Anzug. Einen Moment stand er da, fummelte mit der Serviette, als winke er den Anwesenden zu, und setzte sich schnell wieder hin. Die drei anderen neuen standen auch auf, winkten bei ihrer Vorstellung und hatten alle keine Sahneflecken auf dem Revers und keine vor Verlegenheit verzogenen Gesichter.
    Mein Medizinstudium habe ich mit der zweitbesten Note abgeschlossen,
dachte er,
und mein Praktikum als Bester absolviert.
    Das habe ich trotz aller Widerstände geschafft und ohne einen Penny Unterstützung durch meine Familie. Und hier sitze ich jetzt und komme mir wie der letzte Idiot vor.
    Unter dem Tisch stieß Greta gegen sein Knie. »Die Luft ist mir hier zu angereichert«, flüsterte sie. »Ich glaube, ich ersticke noch an dem Goldstaub.«
    »Möchtest du gehen?«
    »Und du?«
    Er sah zum Podium, wo Foley noch immer über Geld redete.
    Renditen, rasantes Wachstum des Markts auf dem Ruhestandssektor. Die alten Leute als wandelnde Goldgruben.
    Er warf die Serviette auf den Tisch. »Gehn wir.«
    Angus Parmenter fühlte sich nicht wohl, überhaupt nicht wohl.
    Seit Donnerstag war dieses Zittern in der rechten Hand noch zweimal aufgetreten und wieder vergangen. Wenn er sich konzentrierte, konnte er es unterdrücken, aber das war sehr anstrengend, und der Arm tat ihm danach weh. Beide Male hörte das Zucken dann von selber wieder auf. Die beiden letzten Tage hatte es sich nicht gemeldet, und so konnte er sich selber einreden, es habe nichts zu bedeuten. Vielleicht zuviel Kaffee getrunken. Oder zuviel Training an den Geräten, eine Überanstrengung der Armmuskulatur. Er hatte damit aufgehört, und alles war ruhig geblieben, was er für ein gutes Zeichen hielt.
    Doch jetzt stimmte

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