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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ein:
    »Ein R-Gespräch von Molly. Nehmen Sie es an?«
    Langes Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    Bitte, bitte, bitte. Sprich mit mir.
    »Ma’am? Übernehmen Sie die Gebühren?«
    Ein tiefer Seufzer, dann: »Ach, ich denke schon.«
    »Dann bitte.«
    »Mama, ich bin’s. Ich rufe aus Boston an.«
    »Du bist noch immer dort?«
    »Ja. Ich habe mich nur länger nicht mehr gemeldet, weil …«
    »Du brauchst Geld oder so was. Nicht?«
    »Nein! Nein, es geht mir gut soweit. Ich, hm …« Molly räusperte sich. »Ich komme klar.«
    »Na, das finde ich ja prima.«
    Molly schloß die Augen und wünschte, die Stimme ihrer Mutter möge nicht so unbeteiligt klingen. Wünschte, ihre Unterhaltung würde so verlaufen, wie sie sich das in ihrer Phantasie vorgestellt hatte. Daß Mama in Tränen ausbrechen und sie dann bitten würde heimzukommen. Aber in Mamas Stimme waren keine Tränen, nur der leblose Ton, der Molly direkt ins Herz schnitt.
    »Gibt es also einen Grund, warum du anrufst?«
    »Äh … nein.« Molly rieb sich die Augen. »Keinen wirklichen …«
    »Du möchtest mir doch etwas sagen, oder?«
    »Ich wollte – ich dachte, ich sage nur mal schnell hallo.«
    »Okay. Also, hör mal. Ich koche gerade. Wenn du mir nicht mehr zu sagen hast …«
    »Ich bin schwanger«, flüsterte Molly.
    Keine Antwort.
    »Hast du gehört? Ich bekomme ein Baby. Stell dir vor, Mama! Ich hoffe, es wird ein Mädchen, dann kann ich es wie eine Prinzessin anziehen. Weißt du noch, wie du solche Kleider für mich genäht hast? Ich werde mir eine Nähmaschine besorgen und Nähen lernen.« Sie lachte jetzt und redete schnell und verzweifelt unter Tränen weiter. »Aber du mußt es mir beibringen, Mama, weil ich es sonst nie hinkriege. Habe nie gelernt, wie man so eine Blindnaht macht …«
    »Wird es farbig?«
    »Wie bitte?«
    »Wird es ein farbiges Baby?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Was meinst du damit, ich
weiß
nicht?«
    Molly hielt sich die Hand vor den Mund, um einen Schluchzer zu unterdrücken.
    »Du meinst, du hast keine Vorstellung?« sagte ihre Mutter.
    »Konntest du sie nicht mehr zählen, oder was?«
    »Mama«, flüsterte Molly. »Mama, das besagt doch nichts. Es ist so oder so mein Baby.«
    »Oh, das besagt schon was. Für all die Leute hier in der Gegend. Was glaubst du denn, was sie davon halten? Und dein Daddy – deinen Daddy würde es umbringen.«
    Jemand zog an der Tür der Telefonzelle. Molly drehte sich um und sah einen Mann auf seine Uhr zeigen. Er gestikulierte, sie solle die Zelle verlassen.
    »Mama«, sagte sie. »Ich möchte nach Hause.«
    »Das kannst du nicht. Nicht in deinem Zustand.«
    »Romy sagt, ich soll es wegmachen lassen, ich soll mein Baby umbringen. Er schickt mich heute zu einem Arzt, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Mama, ich brauche deinen Rat. Sag mir, was ich tun soll …«
    Ihre Mutter ließ einen müden Seufzer hören. Ruhig sagte sie dann: »Vielleicht wäre es das beste.«
    »Was?«
    »Wenn du es wegmachen ließest.«
    Molly schüttelte bestürzt den Kopf. »Aber es ist dein
Enkelkind …
«
    »Das ist nicht mein Enkelkind. Nicht so, wie du es bekommen hast.«
    Der Mann klopfte jetzt an die Tür und schrie, Molly solle den Telefonhörer einhängen. Sie hielt sich mit der einen Hand das Ohr zu.
    »Bitte«, wimmerte Molly. »Laß mich nach Hause kommen.«
    »Dein Daddy kann einfach mit so etwas nicht umgehen, das weißt du. Er kann es nicht. Nach der Schande, die du uns angetan hast. Nachdem ich dir immer wieder gesagt habe, was dich erwarten wird. Aber du hörst ja nie auf mich, Molly, hast es nie getan.«
    »Ich werde euch nicht zur Last fallen. Romy und ich, wir sind fertig miteinander. Ich möchte jetzt einfach nur nach Hause.«
    Der Mann polterte inzwischen gegen die Zelle und brüllte, sie solle das verdammte Telefon hergeben. Verzweifelt drückte Molly den Rücken gegen die Tür, um ihn draußen zu halten.
    »Mama?« sagte sie. »Mama?«
    Die Antwort kam mit einem triumphierenden Unterton. »Du hast dir dein Bett gemacht. Und jetzt leg dich hinein.«
    Molly preßte den Hörer an ihr Ohr und wußte, daß ihre Mutter bereits eingehängt hatte. Aber sie konnte nicht begreifen, daß die Verbindung abgebrochen war.
Sag etwas. Sag, daß du noch da bist. Sag, daß du immer für mich da bist.
    »Hey, du
Schlampe!
Laß mich an das verdammte
Telefon!
«
    Wortlos ließ sie den Hörer fallen. Er pendelte hin und her und schlug gegen die Kabinenwand. Benommen taumelte sie hinaus und sah den Mann gar

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