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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht, der noch immer fluchte und schimpfte. Kein Wort, das er sagte, drang in ihr Ohr. Sie ging einfach weg.
    Ich kann nicht wieder nach Hause. Kann nicht nach Hause.
    Jetzt nicht, nie.
    Blind und taub ging sie weiter, spürte nicht, wie ihre Beine sich bewegten, ihre Füße auf den Plateausohlen umknickten. Ihr Kummer hatte alle Gefühle getötet.
    Sie sah Romy nicht kommen.
    Sein Fausthieb traf sie genau am Kinn und ließ sie gegen die Hauswand taumeln. Sie hielt sich an einem Fenstergitter und umklammerte die schmiedeeisernen Stäbe, um nicht hinzufallen, verstand überhaupt nicht, was mit ihr passierte, hörte nur, wie Romy sie anschrie. Der Kopf dröhnte ihr vor Schmerz.
    Er packte sie am Arm und riß sie durch die Tür ins Haus. Im Flur schlug er sie noch einmal. Diesmal fiel sie der Länge nach auf die Stufen.
    »Wo bist du gewesen, verdammt noch mal?« brüllte er.
    »Ich hatte … ich mußte etwas erledigen …«
    »Du hattest einen Termin, erinnerst du dich? Sie wollen wissen, warum du nicht da warst.«
    Sie schluckte und starrte auf die Stufen. Ihm ins Gesicht zu sehen, wagte sie nicht. Sie konnte nur hoffen, daß er ihre Lüge hinnahm. »Ich habe es vergessen«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, ich habe es vergessen.«
    »Was bist du doch für eine
dumme
Kuh. Heute morgen noch habe ich dir gesagt, wo du hingehen sollst.«
    »Ich weiß.«
    »Sie müssen dir ins Gehirn geschissen haben.«
    »Ich hatte so viele andere Sachen im Kopf.«
    »Also los, sie warten noch auf dich. Hau ab ins Auto.«
    Sie sah zu ihm hoch. »Aber ich bin nicht darauf vorbereitet …«
    »Vorbereitet?« lachte Romy. »Du mußt nichts anderes tun, als dich auf den Tisch zu legen und die Beine zu spreizen.« Er zog sie auf die Füße und stieß sie zur Tür. »Geh schon, sie haben ihre Scheißlimousine hergeschickt.«
    Sie stolperte hinaus auf den Gehsteig.
    Am Straßenrand wartete ein schwarzer Wagen auf sie. Durch die getönten Scheiben konnte sie kaum die Umrisse des Fahrers erkennen.
    »Los, steig ein.«
    »Romy, ich fühle mich nicht gut. Ich will das nicht.«
    »Mach bloß kein Theater. Rein mit dir.« Er machte die Tür auf, schob sie auf den Rücksitz und warf den Wagenschlag wieder zu.
    Der Wagen fuhr los.
    »Hey!« sagte sie zu dem Fahrer. »Ich will hier raus!« Zwischen ihr und den Vordersitzen war eine Plexiglasscheibe. Sie schlug dagegen, wollte auf sich aufmerksam machen, aber er reagierte nicht. Sie sah den winzigen, in die Scheibe eingelassenen Lautsprecher, und plötzlich erinnerte sie sich. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Sie kannte diesen Wagen. Sie war schon einmal mit ihm gefahren.
    »Hallo«, sagte sie. »Kenne ich Sie?«
    Der Fahrer bewegte nicht einmal den Kopf.
    Sie lehnte sich in den Ledersitz zurück. Derselbe Wagen. Derselbe Fahrer. Sie erinnerte sich an das blonde, fast silbrige Haar.
    Letztes Mal, als er sie nach Dorchester gefahren hatte, hatte ein anderer Mann auf sie gewartet, einer mit einer grünen Maske.
    Und da war ein Untersuchungstisch mit Gurten gewesen. Aus ihrem Schrecken wurde Panik. Sie sah nach vorn. Sie kamen an eine Kreuzung. Die letzte, bevor man auf die Schnellstraße kam. Sie starrte zur Ampel hinauf und betete:
Werd rot.
    Werd rot!
    Ein anderer Wagen schnitt ihre Spur. Molly duckte sich, als der Fahrer auf die Bremse stieg. Hinter ihnen hupten gleich mehrere Autos, und der Verkehr kam quietschend zum Stehen.
    Molly schob die Tür auf und sprang hinaus. Der Fahrer schrie hinter ihr her: »Komm her! Du kommst
sofort
zurück!«
    Sie schoß zwischen zwei stehenden Wagen hindurch und war mit einem Satz auf dem Gehsteig. Ihre Plateausohlen klapperten auf dem Pflaster. Die verdammten Absätze brachten sie ins Straucheln. Sie fand das Gleichgewicht wieder und rannte los.
    »
Hey!
«
    Molly sah sich um und erkannte entsetzt, daß der blonde Mann den Wagen am Bordstein hatte stehenlassen und ihr zu Fuß nachrannte, mitten durch die hupenden Autos.
    Sie lief, unbeholfen und auf klappernden Sohlen. Die Schuhe behinderten sie. Am Ende des Blocks sah sie wieder zurück. Der Fahrer kam näher.
Warum läßt er mich nicht in Ruhe?
    Sie reagierte, wie das alle Opfer ganz automatisch tun – sie flüchtete weiter.
    Sie lief nach rechts in eine enge Straße und kämpfte sich den unebenen, gepflasterten Gehsteig zum Beacon Hill hoch. Nach einem Block bergauf war sie außer Atem. Die Beine taten ihr weh – diese verdammten Schuhe. Sie sah sich um. Der Fahrer verfolgte sie.
    Erneute Panik

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