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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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trieb Molly schneller voran. Sie bog nach links um die Ecke, dann wieder nach rechts, verlor sich tiefer in das Gewirr der kleinen Gassen am Beacon Hill. Sie blieb nicht mehr stehen, um nach hinten zu sehen. Sie wußte, er war da. Ihre Füße waren von den Schuhen schon wund und bekamen Blasen.
Ich kann nicht mehr. Gleich holt er mich ein.
Hinter der nächsten Ecke sah sie ein wartendes Taxi am Straßenrand. Mit einem Sprung war sie da und riß die Tür auf. Überrascht sah sich der Fahrer nach Molly um, wie sie sich in den Rücksitz fallen ließ und die Tür mit Schwung zuzog.
    »Hey! Ich bin nicht frei«, rief er.
    »Fahren Sie einfach.
Fahren Sie!
«
    »Ich warte auf mein Fahrgeld. Steigen Sie aus.«
    »Jemand ist hinter mir her. Bitte, können Sie nicht einmal um den Block fahren?«
    »Ich fahre nirgends hin. Steigen Sie aus, oder ich hole über Funk die Polizei, hier, mit dem Funkgerät.«
    Vorsichtig hob Molly den Kopf und spähte aus dem Fenster. Ihr Verfolger stand nur wenige Meter entfernt und sah die Straße hinauf und hinunter.
    Im selben Augenblick ließ sie sich auf den Boden rutschen.
    »Das ist er«, flüsterte sie.
    »Das interessiert mich einen Dreck. Ich rufe die Polizei.«
    »Okay. Tun Sie das! Das erstemal in meinem Leben, daß ich wirklich so einen Scheißcop brauche
.
«
    Sie hörte, wie er nach seinem Funktelefon griff und dann »Scheiße!« murmelte und es wieder in die Halterung zurücksteckte.
    »Rufen Sie jetzt die Cops oder nicht?«
    »Ich habe keine Lust, mit den Cops zu reden. Warum steigen Sie nicht einfach aus, wie ich es Ihnen sage?«
    »Und warum können Sie nicht einfach mal um den Block fahren?«
    »Okay, okay.« Mit einem resignierten Brummen löste er die Handbremse und fuhr los. »Also, wer ist der Typ?«
    »Er wollte mich irgendwohin fahren, wohin ich nicht wollte. Also bin ich ausgestiegen.«
    »Wohin wollte er Sie fahren?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wissen Sie was? Ich will gar nichts mehr davon wissen. Ich will von Ihrem beschissenen Leben nichts wissen. Ich will nur, daß Sie aus meinem Taxi verschwinden.« Er fuhr an den Gehsteig und bremste. »
Raus
jetzt.«
    »Ist der Typ irgendwo zu sehen?«
    »Wir sind auf der Cambridge Street. Ich bin ein paar Blocks weitergefahren. Er ist weit da hinten.«
    Sie hob den Kopf und sah schnell hinaus. Es waren viele Leute auf der Straße, doch von ihrem Verfolger sah sie nichts. »Später mal bezahle ich es Ihnen vielleicht«, sagte sie und stieg aus dem Taxi.
    »Vielleicht fliege ich mal zum Mond.«
    Schnell ging sie die Cambridge hinunter, dann weiter auf der Sudbury und hielt erst an, als sie tief im Straßengewirr des North End untergetaucht war.
    Vor einem Friedhof fand sie eine Parkbank. Copp’s Burying Ground stand auf einem Schild. Sie setzte sich und zog die Schuhe aus. Die Blasen waren inzwischen geplatzt, die Zehen rotgescheuert. Um auch nur noch einen Block weiterzugehen, war sie jetzt zu müde. Also saß sie einfach mit nackten Füßen da und sah den Touristen zu, die mit ihren Freedom-Trail-Broschüren in den Händen den milden Oktobernachmittag genossen.
    Zurück in mein Zimmer kann ich nicht mehr. Auch an meine Sachen komme ich nicht mehr heran. Wenn Romy mich sieht, bringt er mich um.
    Es war fast vier, und sie hatte Hunger. Außer einem Grapefruitsaft und zwei Erdbeer-Doughnuts zum Frühstück hatte sie noch nichts im Magen. Der köstliche Geruch, der aus einem italienischen Restaurant zu ihr herüberwehte, machte sie ganz nervös. Doch in ihrer Geldbörse waren nur noch zwei Dollar.
    In ihrem Zimmer hatte sie noch mehr Geld versteckt. Irgendwie mußte sie in ihr Zimmer kommen, ohne daß Romy sie sah.
    Sie zog die Schuhe wieder an und wimmerte. Dann humpelte sie ein Stück weiter zu einem Münztelefon.
Bitte, tu das für mich, Sophie,
dachte sie.
Nur dies eine Mal sei nett zu mir.
    Sophie meldete sich mit leiser und vorsichtiger Stimme. »Ja?«
    »Ich bin’s. Kannst du für mich in mein Zimmer gehen …«
    »Kommt nicht in Frage. Romy tobt hier herum wie ein Wilder.«
    »Ich brauche mein Geld. Bitte, hol es mir, und dann bin ich weg. Du siehst mich nicht wieder.«
    »Ich gehe nicht einmal in die Nähe deines Zimmers. Im Moment ist Romy drin und nimmt alles auseinander. Da bleibt ohnehin nichts übrig.«
    Molly sank gegen die Wand der Kabine.
    »Hör mal, bleib einfach weg. Komm nicht mehr her.«
    »Aber ich weiß nicht, wohin!« Molly mußte plötzlich schluchzen. Verzweifelt sackte sie zusammen, die Haare fielen ihr

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