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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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keinen Zentimeter Raum zum Manövrieren gegeben.«
    »Was hast du ihnen gesagt?«
    »Daß es problematisch wäre, dich zu feuern.« Er lachte unsicher. »Ich habe mich auf eine Verzögerungstaktik verlegt, mit der du vielleicht nicht einverstanden bist. Ich habe gesagt, du würdest vielleicht zurückschlagen und eine Klage wegen geschlechtlicher Diskriminierung anstrengen. Das hat sie nervös gemacht. Wenn es etwas gibt, womit sie nichts zu tun haben wollen, dann ist es eine zeternde Feministin.«
    »Wie schmeichelhaft.«
    »Es war das einzige, was mir eingefallen ist.«
    »Komisch. Genau das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Dabei bin
ich
doch die Frau.«
    »Erinnerst du dich an das Verfahren wegen sexueller Belästigung einer unserer Schwestern? Es hat sich zwei Jahre hingezogen und endete damit, daß Springer ein Vermögen für die Anwälte zahlen mußte. Mein Einwand war eine Möglichkeit, sie zu bremsen und nachdenklich werden zu lassen, was sie da eigentlich tun. Und dir etwas Zeit zu verschaffen, bis die Gemüter sich abgekühlt haben.« Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Toby, ich sitze auf einem ganz heißen Stuhl. Sie machen Druck auf mich, daß ich die Sache regele. Und ich will dir dabei nicht weh tun, wirklich nicht.«
    »Bittest du mich, selbst zu kündigen?«
    »Nein. Nein, deswegen bin ich nicht hier.«
    »Was soll ich deiner Meinung nach denn tun?«
    »Ich könnte mir vorstellen, du nimmst ein paar Wochen Urlaub. Inzwischen kommt der Bericht aus der Rechtsmedizin. Ich bin sicher, er weist eine natürliche Todesursache nach. Das holt Wallenberg dann zurück auf den Teppich.«
    »Und alles ist vergeben und vergessen.«
    »Ich hoffe. Für nächsten Monat stehst du ohnehin schon auf der Urlaubsliste. Du kannst ihn auch gleich antreten. Und um drei bis vier Wochen verlängern.«
    Eine Weile saß sie und dachte nach, spielte im Geist ein Dominospiel durch. Ein Zug zieht den nächsten nach sich. »Wer übernimmt meine Schicht?« fragte sie.
    »Dafür können wir Joe Severin heranziehen. Im Moment hat er nur einen Teilzeitvertrag bei uns. Ich bin sicher, er ist einverstanden.«
    Sie sah Paul direkt in die Augen. »Und ich bekomme meinen Job nie wieder, nicht wahr?«
    »Toby …«
    »War es nicht Doug Carey, der Severin zu uns gebracht hat? Sind die beiden nicht Freunde? Du bedenkst nicht alle Personalfragen. Wenn ich Urlaub nehme, steigt Severin voll ein. Und wenn ich wiederkomme, gibt es keinen Job mehr für mich, und das weißt du.«
    Er schwieg, sah sie nur mit einem unergründlichen Blick an. Zu lange hatte sie die Anziehung, die sie auf Paul Hawkins ausübte, die tatsächliche Beziehung zwischen ihnen überspielen lassen. Sie hatte in sein Lächeln, sein Entgegenkommen, mehr hineingelesen, als tatsächlich darin war. Daß sie das erst jetzt, im Zeitpunkt ihrer größten Verwundbarkeit, gewahr wurde, schmerzte sie um so mehr.
    Sie stand auf. »Ich trete meinen Urlaub an, wie angemeldet. Keinen Tag eher.«
    »Toby, ich tue, was ich kann, um dich zu schützen. Du mußt einsehen, daß
meine
Position auch nicht mehr die sicherste ist.
    Wenn wir die Überweisungen aus Brant Hill verlieren, bekommt Springer das sehr zu spüren. Und der Verwaltungsrat sucht dann nach den Schuldigen.«
    »Ich mache dir keinen Vorwurf, Paul. Ich verstehe, warum du das hier tust.«
    »Warum tust du dann nicht, was ich dir rate? Nimm Urlaub. Dein Job wird dir bleiben.«
    »Bekomme ich das schriftlich?«
    Er schwieg.
    Sie wandte sich zur Tür. »Das habe ich mir gedacht.«

9
    Molly stand vor dem Münzfernsprecher, raffte allen Mut zusammen und griff nach dem Hörer. Zum zweitenmal suchte sie heute diese Telefonzelle schon auf. Beim erstenmal war sie gar nicht erst hineingegangen, hatte sich einfach umgedreht und war wieder gegangen. Jetzt stand sie aber direkt am Telefon.
    Die Tür hinter ihr war zu. Nichts konnte sie mehr von dem Anruf abhalten.
    Ihre Hände zitterten, als sie den Hörer abhob und wählte.
    »Vermittlung.«
    »Bitte ein R-Gespräch nach Beaufort, South Carolina.«
    »Wen soll ich melden.«
    »Molly.« Sie gab die Nummer durch und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Ihr Herz pochte, als die Vermittlung durchstellte. Sie hörte es läuten. Ihre Angst war so groß, daß sie fürchtete, sich übergeben zu müssen, hier direkt in der Zelle.
Lieber Jesus, hilf mir.
    »Hallo?«
    Molly reckte sich. Es war die Stimme ihrer Mutter. »Mama«, platzte sie heraus, aber da schaltete sich die Vermittlung

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