Roter Lampion
Onkel oder sonst jemand in Hongkong.«
»Beruhigen Sie sich«, beschwichtigte ihn Lo Sung. »Wahrscheinlich müssen Sie nur ein Protokoll unterschreiben oder sonst irgendeine Formalität erledigen.«
So getröstet machte sich Cooper auf den Weg zur Polizei, wo er sich von Captain Collins und einem hinzugezogenen Leutnant der Marineeinheit eingehend über die Vorgänge in der Nacht vom 15. zum 16. April informieren ließ, die noch keine Aufklärung gefunden hatten und ausgesprochen mysteriös verlaufen waren. Danach war der Polizei am Nachmittag des 15. April anonym mitgeteilt worden, daß eine Dschunke, deren Bug mit einem phosphoreszierenden Drachen bemalt sei, gegen Mitternacht aus dem in Höhe der Repulse Bay endenden ›East Lamma Channel‹ in südlicher Richtung auslaufen und nach Passieren der Lamma-Insel Kurs auf Ling Ting nehmen werde, an deren Nordküste Schmuggelgut aus Macao übernommen werden solle. Wenn die Marinepolizei auch der Überzeugung gewesen war, daß es sich bei dieser Information um eine Falschmeldung handelte, die dazu dienen sollte, die Aufmerksamkeit von einer wirklichen Umschlagstelle abzulenken, so schickte sie nach Einbruch der Dunkelheit doch ein schweres Patrouillenboot mit abgeblendeten Lichtern an das Ostkap der Lamma-Insel, so daß der Ausgang des etwa drei Kilometer breiten Kanals unter Kontrolle lag. Trotz der mondlosen Nacht mußte sich jedes Segel vor den Lichtern der gegenüber gelegenen Repulse Bay abzeichnen.
Und dann geschah, was niemand ernstlich für möglich gehalten hatte. Kurz vor Mitternacht wurde eine Dschunke gesichtet, deren Bug ein in der Nacht weithin sichtbarer phosphoreszierender Drache zierte. War es an sich schon ungewöhnlich, daß Leuchtfarbe ein Schiff auf große Entfernung verriet, so staunte die Besatzung des Patrouillenbootes noch mehr, als sie hörte, daß auf der Dschunke unmittelbar nach Eintritt in das Südchinesische Meer ein Motor angelassen wurde, der wie ein Rennwagen losdonnerte. Der Kommandant der Marinepolizei gab sofort den Befehl, der Dschunke mit abgeblendeten Lichtern zu folgen, er mußte aber schon bald erkennen, daß sein Boot nur bei vollen Touren in der Lage war, im Kielwasser des ausgemachten Objektes zu bleiben. Daraufhin ließ er die Scheinwerfer einschalten und der Dschunke einen Warnschuß vor den Bug setzen. Umsonst.
Das verfolgte Schiff steigerte seine Geschwindigkeit, woraufhin der Kommandant des Patrouillenbootes Order gab, die Schnellfeuerkanonen sprechen zu lassen. Der Gegner antwortete mit zwei Maschinengewehren, und die Aktion drohte mit einem Fiasko zu enden, als ein Zufallstreffer den Motor der Dschunke ausschaltete, die dadurch bewegungsunfähig wurde und wie eine Ente im Wasser lag. Um kein Risiko einzugehen, schoß die Marinepolizei so lange aus allen Rohren, bis sich auf der Gegenseite nichts mehr rührte, und als die Dschunke schließlich geentert wurde, gab es eine neue Überraschung. An Bord befanden sich nur zwei junge Leute, die keinerlei Papiere bei sich hatten. Einer von ihnen war tot, während der andere, von Geschossen durchsiebt, im Sterben lag.
»Existieren Fotos von den beiden?« erkundigte sich Cooper, als Captain Collins seinen Bericht beendete.
»Gewiß«, antwortete der Polizeihauptmann. »Möchten Sie sie sehen?«
»Ich würde sie gerne mitnehmen, um sie jemandem zu zeigen«, antwortete Gordon Cooper. »Wenn wir Glück haben, erfahre ich noch heute den Namen eines der beiden Männer, und dann hätte ich den ersten Beweis dafür, daß der Chinese Lo Sung, den Sie seinerzeit bei der Durchsuchung von Sorokins Wohnung kennenlernten, vor nichts zurückschreckt.«
»Hoffentlich täuschen Sie sich nicht«, erwiderte Captain Collins und hob seine zu Fäusten geballten Hände. »Ich halte Ihnen die Daumen.«
»Herzlichen Dank«, entgegnete Cooper. »Einige Fragen habe ich aber noch. Wer war der Eigner der Dschunke?«
Der Polizeihauptmann lachte. »Wäre schön, wenn wir das wüßten. Die aufgemalte Registriernummer stimmte nicht.«
»Und wo befindet sich das Schiff?«
»Es wurde nach dem Ausbau des annähernd tausend PS starken Motors verkauft.«
Cooper blickte grüblerisch vor sich hin. »Haben Sie eine Erklärung für die doch reichlich mysteriöse Geschichte?«
»Eine Erklärung haben wir nicht«, antwortete Captain Collins vorsichtig. »Nur eine Vermutung. Der anonyme Anruf und der mit phosphoreszierender Farbe aufgemalte Drache, der durch eine eigens dafür angebrachte Persenning hätte
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